Ein Rabbi und ein Imam überwinden Gräben

Ein Rabbi und ein Imam überwinden Gräben
Interreligiöser Dialog. Marc Schneier und Shamsi Ali kämpfen gemeinsam für mehr Toleranz

Ich bin hier in Wien, um Muslime zu ermutigen, ihre Kinder über den Holocaust zu informieren. Ich möchte vermitteln, dass die Verneinung des Holocausts und seiner Verbrechen falsch ist“, sagt Imam Shamsi Ali, einer der führenden muslimischen Geistlichen der USA.

Neben ihm im Lederfauteuil sitzt Marc Schneier, Rabbiner in 18. Generation, Gründer der „The Hampton“-Synagoge in New York und Vize-Präsident des World Jewish Congress. „Ich kläre auf und kämpfe gegen Islamophie“, sagte er am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Beide geistlichen Führer sind derzeit im Rahmen des Gedenkens zu 75 Jahre Novemberpogrom in Wien.

Bevor Shamsi Ali und Marc Schneier nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zueinandergefunden haben, hatte jeder Vorurteile gegenüber der jeweils anderen Religion. „Lange Zeit kannte ich keinen einzigen Juden, und ich dachte, die Juden sind verantwortlich für all das Schlechte, was uns widerfährt“, gesteht der Imam.

Holocaust-Leugner

Rabbi Schneier sagt auch ganz ehrlich, dass er von Muslimen nichts Gutes hielt. „Sie leugnen den Holocaust und wollen unsere Vernichtung.“

Nach den Terrorattacken auf die Twin Towers hatte Shamsi Ali großen Erklärungsbedarf: „Was bedeutet es, im Namen Allahs zu töten?“, lautete die bohrende Frage. Bei einer Fernsehdebatte tauschten der Imam und der Rabbi erstmals Argumente aus, viele Gespräche zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten folgten. Nicht nur die Religion trennte beide: Shamsi Ali wuchs in einem kleinen Dorf in Indonesien auf, Marc Schneier in der intellektuellen Elite der Upper East Side von Manhatten.

„Wir müssen gemeinsam kämpfen. Eine religiöse Gruppe sollte ihre Auseinandersetzungen niemals alleine austragen müssen“, betont Schneier. Als Beispiel führte er die Debatte über Beschneidung und Schächten an.

Söhne des Abraham

Wie sie zueinander fanden, wie aufregend und für manche unverständlich die gegenseitigen Besuche in der Moschee und der Synagoge waren, schildern der Rabbi und der Imam in einem kürzlich erschienen Buch mit dem Titel „Sons of Abraham“ und einem Vorwort von Bill Clinton.

Marc Schneier gehört zu den 50 wichtigsten Persönlichkeiten der USA, schreibt Newsweek. Wie seinem Vater, den in Wien geborenen Rabbi Arthur Schneier, Gründer der bekannten East Park Synagoge, sind für Marc Schneier das Eintreten für Toleranz, Respekt und der interreligiöse Dialog zentrale Punkte seines Lebens. Er versteht sich als „theologischer Diplomat“ – auch im Nahost-Konflikt. „Unsere Arbeit beeinflusst den Friedensprozess.“

Sorgen macht ihm der steigende Antisemitismus in der EU. Im Kampf dagegen empfiehlt Rabbi Marc Schneier EU-Politikern: „Sagt, woher Antisemitismus kommt und bezieht Muslime mit ein.“

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