Ein Pariser EU-Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Krieges

Ein Pariser EU-Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Krieges
Emmanuel Macron lädt die EU-Regierungschefs ins prachtvolle Schloss von Versailles. Das unumgängliche Thema wird auch hier die „tektonische Verschiebung in der europäischen Geschichte“

Von Simone Weiler

Der zweitägige Gipfel im prachtvollen Schloss von Versailles war lange geplant. Er hätte einer der Glanzpunkte der derzeitigen turnusmäßigen französischen EU-Ratspräsidentschaft werden und sich Plänen für ein „neues Wachstums- und Investitionsmodell“ für Europa widmen sollen. Doch wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs ab heute, Donnerstag, zusammenkommen, sprechen sie vorwiegend über ein Thema: ihre Antwort auf den Krieg in der Ukraine.

Experten sind sich jetzt schon sicher, was als Ergebnis in der abschließenden „Erklärung von Versailles“ stehen wird: die Stärkung der eigenen Verteidigungskapazitäten und der Rüstungsindustrie sowie mehr Schutz vor Cyber-Attacken. ,„Der russische Angriffskrieg stellt eine tektonische Verschiebung in der europäischen Geschichte dar“, hieß es in einem vorab verfassten Entwurf.

Medienberichten zufolge könnte die Erklärung eine EU-Beistandsklausel enthalten: Demnach wäre der Angriff auf einen Partner wie ein Angriff auf alle zu werten, vergleichbar mit der Bündnisfall-Regel der NATO. Dies wäre eine explizite Warnung an Putin, aber auch das Signal an die USA, dass die EU-Staaten stärker für ihre Sicherheit einstehen wollen. Auch über den Antrag der Ukraine auf EU-Mitgliedschaft soll diskutiert werden.

Ein Pariser EU-Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Krieges

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Weg aus der Abhängigkeit

Darüber hinaus wollen die 27 EU-Mitgliedsländer den Beginn einer raschen Abkehr von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten beschließen. Vor allem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte dieser zuvor eine Absage erteilt: Die Energieversorgung Europas könne „im Moment nicht anders gesichert werden“. Am Dienstag hatte die EU-Kommission einen Plan vorgelegt, um russische Gasimporte bis Jahresende um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr zu reduzieren. Erneuerbare Energien sollen schneller ausgebaut, neue Quellen für Gaslieferungen erschlossen und der Verbrauch gesenkt werden.

Weiteres Ziel des Gipfeltreffens ist es, eine robustere wirtschaftliche Basis der EU aufzubauen und weniger von Importen in Schlüsselbereichen wie jenen der Elektrochips, Pharmaprodukte und Lebensmittel abzuhängen.

Gemeinsame Schulden

Französischen Medienberichten zufolge ist ein neuer Gemeinschaftsfonds nach dem Vorbild des Corona-Aufbaufonds im Gespräch, der sich erneut aus gemeinsamen Schulden finanzieren könnte. Er würde demnach für Investitionen in EU-Rüstungsprojekte, zum Abfedern exorbitant steigender Energiekosten und für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge dienen. Beschlossen werden dürfte so ein Fonds allerdings noch nicht, zumal kurzfristig Gelder aus dem Corona-Fonds umgeleitet werden.

Gestern billigten die Botschafter der EU-Länder weitere Maßnahmen, die erstmals den Schifffahrtssektor betreffen. Außerdem werden nach russischen auch belarussische Banken von dem internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen.

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