EU verschärft vor Gipfel in Versailles Sanktionen gegen Russland

Dutch Prime Minister Mark Rutte in Paris
Das vierte Sanktionspaket binnen zwei Wochen nimmt den Schifffahrtssektor ins Visier und schließt nun auch belarussische Banken vom Zahlungssystem Swift aus.

Vor dem EU-Gipfel zum Ukraine-Krieg auf Schloss Versailles ab Donnerstag haben sich die Mitgliedsländer auf verschärfte Sanktionen gegen Russland geeinigt. Die Botschafter der EU-Länder billigten am Mittwoch in Brüssel das vierte Sanktionspaket binnen zwei Wochen. Es nimmt erstmals den Schifffahrtssektor ins Visier und schließt nach russischen nun auch belarussische Banken von dem internationalen Zahlungssystem Swift aus, wie die französische Ratspräsidentschaft mitteilte.

Mit Inkrafttreten der neuen Sanktionen wird vor Beginn des zweitägigen Gipfels am Donnerstagnachmittag gerechnet. Auf dem Schloss von "Sonnenkönig" Ludwig XIV. will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als amtierender Ratsvorsitzender ein Zeichen für ein "stärkeres und souveräneres" Europa setzen und eine "neue Ära" einleiten, wie er in Interviews sagte. Dies soll ein Fingerzeig an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sein, den Macron im Mai 2017 noch mit militärischen Ehren auf Schloss Versailles empfangen hatte.

Rekordtempo

Seltene Einigkeit gegenüber Putin haben die EU-Staaten seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor rund zwei Wochen bei den Sanktionen gezeigt, die im Rekordtempo beschlossen wurden. Die neuesten Strafmaßnahmen zielen laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf 160 weitere Verantwortliche in Russland ab sowie auf Oligarchen, "die an der russischen Militäraggression gegen die Ukraine" beteiligt sind. Um Schlupflöcher in den bisherigen Sanktionspaketen zu schließen, wurden zudem Vorschriften zu Kryptowährungen und den Exportverboten für bestimmte Technologien ergänzt.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss bei dem Gipfel mit Fragen zu dem Öl- und Gasembargo gegen Russland rechnen, das US-Präsident Joe Biden am Dienstag angekündigt hatte. Scholz lehnt einen ähnlichen Importstopp bisher ab und warnt, ohne Russland sei die Versorgung Europas nicht gesichert. Die EU bezieht nach Brüsseler Angaben derzeit gut 40 Prozent ihres Erdgases aus Russland, Österreich sogar 80 Prozent.

"Nabelschnur" kappen

Die Kommission schlägt deshalb vor, die Abhängigkeit von Russland drastisch zu verringern. Dafür sollen die Mitgliedsländer ihre Nachfrage nach russischem Gas bereits in diesem Jahr um zwei Drittel reduzieren. Dies hätte nicht nur wirtschaftlich einen hohen Preis: Die Brüsseler Behörde setzt kurzfristig auf deutlich teureres Flüssiggas (LNG) aus den USA sowie aus Ländern wie Katar oder Ägypten, die bisher wegen Menschenrechtsverstößen im Visier der EU waren.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief die Mitgliedsländer vor dem Gipfel auf, die "Nabelschnur" zu Russland zu kappen. Im Entwurf der Erklärung von Versailles heißt es dazu, die 27 Mitgliedstaaten wollten die "Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten schrittweise abbauen". Ein Zieldatum wird in der vorläufigen Fassung nicht genannt.

Sicherheit und Wunsch nach EU-Beitritt

Zweites großes Gipfelthema ist die Sicherheit: "Wir müssen mehr in unsere Verteidigung investieren, um weniger von nicht-europäischen Staaten abzuhängen", hatte Macron zu Wochenbeginn in einem Fernsehinterview betont. Laut Entwurf der Abschlusserklärung wollen sich alle Staats- und Regierungschefs dafür einsetzen, "die Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen".

Scholz hatte nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine ein beispielloses 100-Milliarden-Euro-Paket für die Deutsche Bundeswehr angekündigt. Zur Sprache kommen dürfte auf dem Gipfel aber auch der umstrittene polnische Vorschlag, der Ukraine über den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz Kampfflugzeuge zu liefern. Berlin und andere Hauptstädte fürchten, dass die NATO damit in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Drittes Gipfelthema ist der Wunsch der Ukraine nach einem EU-Beitritt. Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas sagte bei einer Debatte zum Ukraine-Krieg im Straßburger Europaparlament, eine Beitrittsperspektive sei die "moralische Pflicht" der EU. Zu Wochenbeginn hatten sich die Mitgliedsländer in einem hochsymbolischen Schritt darauf verständigt, das langwierige Aufnahmeverfahren auf den Weg zu bringen.

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