Auch wenn Russland die Gashähne nach Europa morgen zudrehen würde, kämen die EU-Staaten jetzt mit einem blauen Auge über den Winter. Wie die EU-Kommission nicht müde wird zu betonen, sei für die noch verbleibenden Wochen des laufenden Winters vorgesorgt. Ausreichend Flüssiggas (LNG) wurde von Asien nach Europa umgeleitet. Die Gasspeicher sind im EU-Schnitt noch zu 30 Prozent gefüllt.
Das große Problem aber ist der nächste Winter.
Um sich so weit wie möglich von der Abhängigkeit von russischem Gas, Öl und Kohle zu befreien, legte die EU-Kommission in Brüssel am Dienstag einen Plan vor mit dem Ziel:
Zwei Drittel weniger Gas aus Russland
Bis Jahresende soll der Bedarf an russischem Gas um bis zu zwei Drittel gesenkt werden. Das ehrgeizige Fernziel: Bis 2030 will die EU am besten überhaupt keine fossilen Energieträger mehr aus Russland importieren.
Derzeit aber kommen 45 Prozent der europäischen Gasimporte, 27 Prozent der Ölimporte und 46 Prozent der Kohleimporte aus Russland. Wie also sollen die Einfuhren so schnell so drastisch gesenkt werden, ohne die eigene Energieversorgung zusammenbrechen zu lassen?
Vorgeschlagen wird ein Mix verschiedener Maßnahmen – angefangen bei den europäischen Gasspeichern: Bis 1. Oktober müssen nun alle Gasspeicher wieder zu 90 Prozent befüllt sein. Länder, die selbst nicht über ausreichend große Speicher verfügen, werden von anderen Staaten unterstützt.
Neue Lieferanten
Dafür soll mehr Gas als bisher aus Aserbaidschan gekauft werden. Zusätzliche Lieferungen werden als Flüssiggas (LNG) aus Qatar, Ägypten und Australien kommen. Zudem werden bereits getätigte LNG-Einlaufe von Südkorea, Japan, China und Indien nach Europa umgeleitet.
Zweite große Maßnahme: Der Verbrauch von Gas soll reduziert, die gesamte Energieversorgung deshalb auf eine breitere Basis gestellt werden. Das bedeutet mehr Nutzung von Biogas und Wasserstoff und den forcierten Ausbau erneuerbarer Energien. Zudem sollen die europäischen Strom- und Gasnetze noch stärker verzahnt werden, um die Gefahren bei einem Ausfall zu minimeren.
Zur Erinnerung: Als Kremlherr Wladimir Putin 2008 erstmals der Ukraine (und damit auch Bulgarien und der Slowakei) das Gas abdrehte, war Westeuropa noch nicht in der Lage, Osteuropa auszuhelfen. Erst musste das europäische Pipelinenetzwerk nachgerüstet werden.
Nicht zuletzt pocht die EU-Kommission auf mehr Energieeffizienz bei Gebäuden und in der Industrie, etwa durch den beschleunigten Ersatz von Gasheizkesseln durch Wärmepumpen.
Hohe Preise
Sicher aber ist: Die Gaspreise – schon jetzt sind sie doppelt so hoch wie vor einem Jahr – werden hoch bleiben, möglicherweise sogar stiegen. Die EU-Kommission schlägt den EU-Staaten deshalb die Möglichkeit vor die Energie-Konzerne in ihrem Land höher zu besteuern. Ein Teil dieser Steuereinnahmen könne an die Konsumenten zurückgegeben werden.
Bedingung: Diese Maßnahme müsse „proportional und zeitlich begrenzt“ sein. Zudem könnten staatliche Preisobergrenzen gesetzt werden.
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