Ein Monat Proteste im Iran: Über 100 Tote und eine vage Zusage
Mahsa Amini – vor einem Monat kannte noch kaum jemand den Namen der jungen Frau, deren Tod den Iran nachhaltig erschüttert hat. Am 16. September starb die 22-Jährige, nachdem sie drei Tage zuvor wegen eines angeblich zu locker gebundenen Kopftuchs in Teheran verhaftet worden war.
Seither demonstrieren im ganzen Land Frauen – und Männer – für ein Ende der Unterdrückung und politische Reformen. „Was Mahsa passiert ist, kann uns allen passieren“, nennt eine Studentin der dpa ihre Motivation, trotz Repressionen und Polizeigewalt auf die Straße zu gehen.
Mindestens 108 Menschen haben ihren Widerstand gegen das Regime laut der in Norwegen ansässigen NGO Iran Human Rights in den vergangenen Wochen mit dem Tod bezahlt, darunter 28 Minderjährige. Hunderte Menschen wurden festgenommen.
Brand in Gefängnis
Viele von landeten im berüchtigten Gefängnis Evin in Teheran, das wegen seiner Haftbedingungen immer wieder von Menschenrechtsgruppen inner- und außerhalb des Iran kritisiert wird. In just dieser Anstalt brach am späten Samstagabend ein Feuer aus, bei dem laut offiziellen Angaben vier Insassen starben und 61 verletzt wurden.
Quellen der BBC berichteten von deutlich mehr Opfern.
Während die Gefängnisleitung von einer Meuterei gewöhnlicher Krimineller sprach, die ein Textillager in Brand gesetzt hätten, hielten Beobachter einen Zusammenhang mit den Protesten für möglich.
Auf Videos des Brandes, die in sozialen Medien kursieren, hört man Schüsse und Detonationen; Demonstranten skandieren „Tod dem Diktator“. In einer Aufnahme ist laut BBC zu sehen, wie Gegenstände auf das Gefängnis zufliegen, worauf Explosionen zu hören seien. Die tatsächlichen Gründe des Feuers blieben vorerst ungeklärt.
„Frauen in den Fokus“
Nicht nur in Teheran, auch in mindestens 21 anderen Städten kam es am Wochenende zu Protesten, wie die Denkfabrik Institute for the Study of War berichtete. Der Onlinedienst 1500tasvir, der Demonstrationen und Polizeiübergriffe dokumentiert, berichtete von protestierenden Studentinnen und streikenden Ladenbesitzern.
Angesichts der nicht abebbenden Unruhen und der internationalen Reaktionen auf deren Unterdrückung, etwa in Form neuer EU-Sanktionen, sprach sich der iranische Präsident Ebrahim Raisi nun dafür aus, einige Gesetze „zu überprüfen“ und „gegebenenfalls zu revidieren“.
Dialog sei notwendig, um „Zweifel“ in der Gesellschaft auszuräumen, sagte der Regierungschef; Status und Möglichkeiten von Frauen sollten mehr in den Fokus rücken.
Welche Gesetze er meine und ob seine Forderung auch den Kopftuchzwang betreffe, sagte Raisi nicht. Erst vor kurzem hatte der 61-Jährige in New York ein Interview mit CNN-Starjournalistin Christiane Amanpour boykottiert, weil diese kein Kopftuch tragen wollte. Das letzte Wort hat aber ohnehin das politische und religiöse Oberhaupt des Iran, Ayatollah Khamenei.
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