Ein erprobtes Gespann: Putin und seine Paladine
Im deutschsprachigen Raum gilt das Angebot, gemeinsam Pferde zu stehlen, als einer der höchsten Vertrauensbeweise. In Russland ist es die Offerte, gemeinsam auf Feindaufklärung zu gehen. Wladimir Putin, der selbst lange Kundschafter an der unsichtbaren Front war und von Natur aus nach eigenen Worten extrem misstrauisch ist, geht mit derartigen Freundschaftsbeweisen sparsam um. Sobald er jemanden für würdig befunden hat, handhabt er das Prinzip jedoch mit gnadenloser Konsequenz. Kenner der Materie behaupten, das sei so schon zu Putins Zeiten als Vizebürgermeister seiner Heimatstadt St. Petersburg gewesen.
Es waren jene Zeiten, in denen viele Oligarchen die Chancen, die die verkorkste Privatisierung von Staatseigentum bot, bis zur Schmerzgrenze ausreizten. Den goldenen Schnitt machten vor allem die Mitglieder einer Schrebergarten-Kolonie namens Osero - See – in der auch Putin eine Parzelle hatte. Männer wie sein Datschen-Nachbar Juri Kowaltschuk, sein Freund Gennadi Timtschenko, sein Judo-Partner Boris Rotenberg und zahlreiche andere wurden von mittelmäßigen "bisnismeny" (Geschäftsleuten) zu Kapitänen gigantischer Wirtschaftsimperien mit Öl- und Gasförderung, Stahlkochereien, Banken, Medien und Einzelhandelsketten, mit denen sie gigantische Vermögen anhäuften.
Sie sind es, die, seit Putin im März 2000 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, Russlands Schicksal maßgeblich beeinflussen. Die gemeinsame KGB-Vergangenheit störte dabei niemanden. Putin sorgte aber gleichzeitig dafür, dass keiner der neuen Geldaristokraten groß genug wurde, um ihm gefährlich zu werden.
Aufsichtsräte
Das war nicht ganz einfach. Denn zu den Männern der ersten Stunde stießen bald weitere Größen der Petersburger Landsmannschaft. Auch sie meist mit KGB-Hintergrund. Putin hievte vor allem sie an die Schaltstellen der Macht. Weil die schlecht besoldet waren, schanzte er ihnen dann gut dotierte Posten in Aufsichtsräten von Staatskonzernen zu, die nach wie vor 50 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung erbringen. So wurde Dmitri Medwedew Chefcontroller bei Gazprom und der Leiter seines persönlichen Büros, Igor Setschin, beim Ölförderer Rosneft.
Gleichzeitig versuchte Putin, die Macht jener zu brechen, die unter seinem Vorgänger Boris Jelzin in Schlüsselpositionen der Wirtschaft gelangten. Vor allem, wenn es sich um kritische Oligarchen wie Jelzins einstigen Vermögensverwalter Boris Beresowski handelte. Dieser – damals Russland reichster Mann – hatte zwar selbst Putin als Nachfolger ins Spiel gebracht, wollte jedoch als graue Eminenz mitregieren. Putin ließ ihn wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen vor den Kadi zerren, einer Verhaftung entging Beresowski jedoch durch Flucht nach London. In seinem Haus dort wurde er im März 2013 tot aufgefunden. Die Todesumstände sind nicht geklärt.
Arrangement
Ex-Jukos-Chef Michail Chodorkowski, der die Opposition unterstützt hatte und den Geschäftsinteressen von Putins Amigos in die Quere gekommen war, wurde wegen Wirtschaftsverbrechen verurteilt und musste seine Strafe fast bis zum Ende absitzen. Im Dezember begnadigte Putin ihn, es heißt, Chodorkowski habe dafür fortan politische Abstinenz gelobt.
So gewarnt, haben sich die meisten Oligarchen – das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Herrschaft der Wenigen" – mit Putin arrangiert und halten sich an den 2003 vereinbarten Pakt: Unpolitische dürfen ungestört viel Geld machen. Solche wie Roman Abramowitsch oder Wiktor Wekselberg. Beide machten sich zudem als Mäzene dienstbar. Dafür darf Wekselberg den obersten Controller in Skolkowo, dem russischen Silicon Valley, geben und Abramowitsch den britischen Fußballclub FC Chelsea behalten.
Das mittlerweile zusammengeraffte Vermögen der Oligarchen ist inzwischen groß genug, um den extrem aufwendigen Lebensstil – Yachten, Learjets und Privatinseln in Südsee und Karibik – zu finanzieren. Bis dass der Tod sie scheidet: Putin und seine Paladine.
Teil 1 der Serie: Putins Machtspiele - alle Teile finden Sie hier.
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