Sie forderte am Montag die Publikation aller Mitteilungen zwischen Ministern und Firmen, die zu Beginn der Corona-Krise Notfalls-Aufträge erhielten und Beziehungen zu den Konservativen oder ihren Spendern unterhalten. So bekam etwa der Ex-Nachbar von Gesundheitsminister Matt Hancock einen Auftrag für Testampullen, obwohl er keine Erfahrung mit medizinischer Ware hatte.
Labour drängte auch die Wahlkommission, die Spenden an Parteien regelt, zu einer offiziellen Untersuchung, ob der Premier bei der Renovierung seiner Amtswohnung Partei-Spenden eingesetzt hat. Die Regierung sagt, er habe aus eigener Tasche bezahlt, kommentiert aber bisher nicht, ob es etwa ein Darlehen von einem Spender gab. Die konservative Tageszeitung Times hat soeben neue Details über den luxuriösen Umbau der Downing Street, aber auch über die dubiose Finanzierung durch diese Spender veröffentlicht.
"Zwei Problemthemen"
„Das ultimative, toxische Argument, auf das Labour hinarbeitet, ist die Verbindung von zwei Problemthemen der Tories“, erklärt Professor Steven Fielding, Labour-Experte an der Universität Nottingham, dem KURIER. „Es lautet: all dieser Filz ist mit dafür verantwortlich, dass so viele Briten an COVID gestorben sind“.
Unverhoffte Schützenhilfe bekommt Labour dabei von Johnsons gefeuertem Berater Dominic Cummings, der seit Freitag einen Medien-Krieg gegen seinen Ex-Chef führt. So sprach ganz London am Montag von einem explosiven Daily Mail-Artikel, wonach Johnson im Herbst laut ungenannter Quelle gesagt habe, er wolle lieber sehen, wie sich Corona-Tote „zu Tausenden stapeln“ als einen weiteren Lockdown verhängen.
Als Quelle wurde der einstige Brexit-Stratege Cummings vermutet. Johnson stritt die Aussage als absoluten Unsinn ab – „total, total rubbish“ – und meinte, den Briten sei wichtiger, dass „wir die Pandemie unter Kontrolle haben“.
Politischer Schutzschild
Wie sehr er darauf als politischen Schutzschild setzt, zeigt sich auch daran, dass die Regierung am Montag die Ausweitung der Corona-Impfung in England auf 40-44-Jährige ankündigte und Johnson erklärte: „Wir haben eine sehr gute Chance, am 21. Juni wirklich vollständig zu öffnen“.
In den Schlagzeilen war das schnell wieder verdrängt vom Thema Filz in Form einer dringlichen Anfrage dazu von der Schottischen Nationalpartei im Unterhaus in London. Kabinettssekretär Simon Case, der höchste britische Beamte, musste sich bereits kurz davor in einem parlamentarischen Ausschuss unangenehme Fragen gefallen lassen. Laut Medien will er die Nebenjobs von Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes prüfen lassen.
Politik und Privatwirtschaft
Damit aber gibt es bereits neun Untersuchungen über die verschwimmenden Grenzen zwischen Politik und Privatwirtschaft. Im Zuge der Diskussion um einen Lobbying-Skandal, bei dem Ex-Premier David Cameron der jetzt insolventen Finanzfirma Greensill Capital Zugang zu Ministern verschaffte, kam ans Licht, dass mehr als ein Dutzend hoher Beamte Zweitjobs im Privatsektor haben oder hatten. Zwar ist das derzeit nicht illegal, aber die Regierung steht immer mehr unter Druck, endlich neue Regeln dafür zu schaffen.
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