Drohgebärden am Golf: Wie hoch die Kriegsgefahr einzuschätzen ist

Trotz des angeblichen Drohnen-Abschusses und der Beschlagnahmung eines Tankers geht Iran-Experte Walter Posch nicht von einer Eskalation aus.

Inmitten der Spannungen am Persischen Golf streiten sich Teheran und Washington darüber, ob eine iranische Drohne von einem US-Kriegsschiff abgeschossen wurde oder nicht. Während US-Präsident Donald Trump am Donnerstag den Abschuss stolz verkündet hatte, dementiert die iranische Führung dies. Irans Vizeaußenminister Abbas Araghchi fragte gar, ob die Amerikaner nicht vielleicht aus Versehen eine eigene abgeschossen hätten.

Der Iran will zudem über eine Videoaufnahme verfügen, die den Drohnen-Abschuss widerlegt. Dieam Freitag im staatlichen Fernsehen veröffentlichten Aufnahmen zeigen Kriegsschiffe, die aus der Luft gefilmt wurden. Den Angaben des Senders zufolge belegt der Zeitstempel, dass die Bilder nach dem angeblichen Abschuss entstanden seien.

„Welche Drohne abgeschossen wurde, wird sich in Zukunft weisen“, sagt der renommierte Iran-Analyst Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie zum KURIER. „Die Kriegsgefahr ist nicht gestiegen, wir haben diese Hormus-Krisen alle paar Jahre“, fährt er fort.

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„Vergeltungsaktion“

Der vermeintliche Drohnenabschuss hatte sich kurz nachdem die iranischen Revolutionsgarden die Beschlagnahmung eines „fremden Schiffes“ vermeldet hatten, ereignet. Gemeldet ist die „Riah“ als Schiff der Vereinigten Arabischen Emirate, deren Verhältnis zum Iran angespannt ist. „Dies wird sich bilateral lösen lassen. Ich gehe davon aus, dass beide Seiten nicht an einer Eskalation interessiert sind“, sagt Posch. Hinter der Beschlagnahme vermutet er eine Vergeltungsaktion gegenüber Großbritannien. Ein britisches Kommando hatte vor wenigen Wochen einen iranischen Öltanker bei Gibraltar festgesetzt. Auch diese Aktion führt laut Posch zu keiner weiteren Eskalation der Lage: „Die Iraner gehen davon aus, dass die USA sie nicht angreifen werden.“ Vorfälle wie diesen gebe es immer wieder, sie seien in der Region nichts Besonderes.

Parallel zu den Zwischenfällen am Golf deutet Irans Außenminister, Mohammad Zarif, Gesprächsbereitschaft mit US-Präsident Donald Trump an: „Teheran ist zur sofortigen Unterzeichnung eines Dokuments bereit, das schärfere Kontrollen seines Atomprogramms vorsieht“, sagte er, forderte im Gegenzug aber eine Aufhebung der US-Sanktionen gegen den Iran.

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Gesprächsbereitschaft da

Hat also Trumps Plan, den Iran mit wirtschaftlichen Sanktionen und militärischer Drohkulisse in die Knie zu zwingen, funktioniert? „Nicht wirklich“, sagt Posch: „Der Iran reagiert zwar auf Trumps Entspannungssignale, aber es ist jetzt nicht so, dass Teheran alles aufgeben würde“.

Es sei eine Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten vorhanden, „nur müssen beide Seiten das der Bevölkerung erklären.“

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Indes versucht Trump, seine NATO-Partner davon zu überzeugen, sich mit Schiffen an einer Mission am Golf zu beteiligen: „Das dient dazu, dass er die Beteiligten am Nukleardeal dazu bringen will, Farbe zu bekennen“, sagt Posch. Die Amerikaner wollten zeigen, dass die EU – allen voran Frankreich und Deutschland – zu ihrer Allianz mit den USA stehe, unabhängig von aller Diplomatie rund um den Nukleardeal. Bislang aber haben sich weder Berlin noch Paris dazu bereit erklärt, Schiffe gen Mittleren Osten zu senden. „Wir wissen nicht, ob diese Absagen definitiv sind – eventuell wollen beide Länder damit einen Verhandlungsspielraum gegenüber den USA gewinnen“, analysiert Posch.

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