Wahlen in den Niederlanden: "Pitbull mit Empathie" gegen "braven Pieter"
Kopf an Kopf ziehen sie am Mittwoch in den Wahltag: Ein Ex-EU-Kommissar, ein braver Neo-Parteichef und ein ehemaliges Migrantenkind auf hartem Anti-Asylkurs
Als „Pitbull mit Empathie“ bezeichnet zu werden, stört Dilan Yeşilgöz nicht. Die 46-jährige Justizministerin, die die erste Frau an der Spitze der niederländischen Regierung werden will, liebt harte politische Auseinandersetzungen. Und die liefert sich die Rechtsliberale im Wahlkampf mit ihren Kontrahenten derzeit am laufenden Band.
Modisch immer up-to-date und meist auf schwindelerregend hohen Stöckelschuhen unterwegs will die Tochter eines kurdischen Menschenrechtsaktivisten künftig massiv einschränken, was ihr selbst möglich war: den Zuzug von ausländischen Familienmitgliedern.
Außerdem plädiert Yeşilgöz dafür, die Asylzahlen radikal nach unten zu schrauben und anerkannte Kriegsflüchtlinge nach Ende der Kämpfe so rasch wie möglich wieder in ihre Heimat zu schicken.
Dieser stramm migrationskritische Kurs hat der Politikerin, die einst als 7-jährige mit Mutter und Schwester dem geflohenen Vater aus der Türkei in die Niederlande nachfolgen durfte, unverhoffte Popularität eingetragen.
Denn als Nachfolgerin von Mark Rutte, langjähriger Premier und Chef der rechtsliberalen VVD, wehte ihr zunächst Skepsis entgegen: Noch länger von einer VVD-Führung regiert werden?
Da kam bei vielen Niederländern sofort Skepsis auf – bis Dilan Yeşilgöz die Migration zum Schwerpunkt ihres Wahlkampfes machte.
„Eine Art Antiheld“
Doch die größte Überraschung lieferte zuletzt Pieter Omtzig. Jahrzehntelang war der 56-jährige selbst Mitglied der VVD, ehe er austrat und vor Kurzem die Partei „Neuer Sozialer Vertrag“ (NSC) gründete: Und die schoss in den Umfragen sofort auf die gleiche Höhe – etwa 20 Prozent – wie die konkurrierenden Rechtsliberalen.
„Ein Phänomen“, wie in einem Kommentar des De Volkskrant zu lesen ist: „Er ist langweilig, farblos, eine Art Antiheld.“ Doch mit seinem trockenen Wahlkampfthema – bessere Verwaltung für die Niederlande – scheint der 56-Jährige bei vielen grundsoliden Wählern im Land einen Nerv getroffen zu haben.
Ein ganz anderes feurig-rhetorisches Kaliber ist da schon der frühere EU-Kommissar Frans Timmermans. In der Hoffnung, als Spitzenkandidat für Sozialdemokraten und „GroenLinks“, bei den Parlamentswahlen am Mittwoch durch die Ziellinie zu gehen, hatte er im Frühling seinen Job in Brüssel aufgegeben.
Doch die Rechnung ging nicht ganz auf. In Umfragen liegt Timmermans nur auf Platz drei – aber immerhin noch um ein paar Prozentpunkte vor dem bekanntesten Rechtspopulisten der Niederlande, Geert Wilders.
Um ihn hatten bisher alle Parteien einen weiten Bogen geschlagen.
Doch dieses Mal wittert Wilders seine Chance. Was unter Premier Mark Rutte noch undenkbar schien, schließt Dilan Yeşilgöz nicht mehr vollkommen aus: Eine mögliche Koalition mit dem Rechtspopulisten. Der zeigt sich neuerdings zahm wie nie, er verzichtet sogar auf seine üblichen Beschimpfungen auf den Islam – was ihm in den Sozialen Medien gleich den neuen Spitznamen „Geert Milders“ eintrug.
26 Parteien treten an
Doch wer künftig die reichen Niederlande regieren wird, dürfte sich nicht so schnell entscheiden: Wegen seiner extrem zersplitterten Parteienlandschaft – 26 Parteien kandidieren dieses Mal – braucht es mindestens eine Dreierkoalition für eine Mehrheit. Und um diese zu schmieden, bedarf es meist mehrerer Monate.
Zuletzt dauerte es 271 Tage, bis ein Regierungschef das Amtszimmer im „Türmchen“ in Den Haag beziehen konnte.
Kommentare