Boris Johnson genoss gegen Ende der Woche einen Urlaub in einem 5-Sterne-Hotel in der Dominikanischen Republik und, wieder einmal, viel Aufmerksamkeit. Denn 7.000 Kilometer entfernt in London war er, wieder einmal, Stadtgespräch. Nach dem Rücktritt von Liz Truss als britische Regierungschefin wurde er von Buchmachern als Mitfavorit auf den, wieder einmal, freien Premier-Sessel gehandelt. Der Ex-Premier steht nach Angaben eines Parteikollegen in den Startlöchern für eine erneute Kandidatur um das Amt an der Regierungsspitze. Johnson habe gesagt, er „sei bereit“ und wolle antreten, sagte der konservative Abgeordnete James Duddridge am Freitagabend dem Sender Sky News.
Und das, obwohl er erst Anfang Juli nach diversen Skandalen zum Rücktritt gezwungen worden und Anfang September abgetreten war. Das Comeback Kid, das wie sein Vorbild Winston Churchill nach einer Unterbrechung in die Downing Street zurückkehrt? Die Times wusste, er wolle noch am Freitag in die Heimat fliegen. Er habe „Fehler“ gemacht, ließ er der Daily Mail ausrichten. Jetzt sei er „ausgeruht“ und es „jucke ihn in den Fingern“, der oppositionellen Labourpartei den Kampf anzusagen.
Am Freitag wurde noch mit Spannung erwartet, wer sich offiziell als Bewerber deklariert und die hohe Hürde von 100 Stimmen der 357 Tory-Mandatare bis Montag nehmen könne: Der Telegraph zählte 60 Unterstützer für Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der Truss in einer Stichwahl unterlegen war, 40 für Johnson und 16 für Penny Mordaunt, Vorsitzende des Unterhauses. Sie ist die erste, die sich offiziell beworben hat.
Die mögliche Rückkehr Johnsons spaltete aber die Partei, die nach viel Chaos eine Konsensfigur gebrauchen könnte. Denn die Opposition fordert vehement Neuwahlen. Die Tories dürfen dank ihrer Unterhaus-Mehrheit aber den Premier stellen und müssten einem vorgezogenem Urnengang zustimmen. Angesichts schlechter Umfragewerte erwartet das niemand. Also dürfte 2024 oder spätestens im Jänner 2025 gewählt werden.
Mit Johnson „würden wir wieder in der gleichen Klemme stecken“ wie vor zwei Monaten, schlug Tory-Abgeordneter Crispin Blunt Alarm. Seine Mängel seien ja „brutal bloßgestellt worden“. Sein Kollege Roger Gale drohte gar, aus der Partei auszutreten. Johnson kann sich aber laut Umfragen derzeit nicht einmal eines Sieges im eigenen Wahlkreis sicher sein. Zudem muss eine Untersuchung klären, ob er bei der „Partygate“-Affäre im Parlament gelogen hat. Johnson gelte als „Lügner“ und sei einfach „toxisch“, warnte Meinungsforscher James Johnson.
Boris oder kaputtgehen
Andere sehen Johnsons Wahlsieg 2019 als Legitimation und seine populistischen Instinkte als Chance für die Tories, an der Macht zu bleiben. So auch Verteidigungsminister Ben Wallace, der am Freitag eine Kandidatur ausschloss und meinte, er neige dazu, Johnson zu unterstützen. Wirtschaftsminister und Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg tut das bereits. „#BORISorBUST“, twitterte er, also: „Boris oder kaputtgehen“. „Es gibt nur einen, der das Mandat hat und vor drei Jahren eine Wahl mit einer 80-Sitze-Mehrheit gewonnen hat“, meinte auch Ex-Kulturministerin Nadine Dorries.
Der parteiinterne Wahlprozess soll bis nächsten Freitag beendet sein. Theoretisch könnte sich die Tory-Fraktion auf einen Premier einigen. Im Falle von zwei Bewerbern könnte die Person mit weniger Stimmen aufgeben. Ansonsten entscheiden die rund 170.000 Parteimitglieder in einer Online-Stichwahl. Wer auch immer Premier wird, hat viel Arbeit vor sich. Eine Umfrage von PeoplePolling sieht Labour mit 53 Prozent vor den Tories auf dem Rekordtief von 14 Prozent.
Tom, der nördlich von London lebt, will die Tories aber wählen, egal wer an der Spitze steht. „Bei Sunak oder Johnson bin ich 50:50“, sagt er dem KURIER. Und: „Boris ist zwar ein Hanswurst, aber dumm ist er nicht“.
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