Hugh Grant bemühte sich in den 90er Jahren nach einer Liäson mit einer Prostituierten in Los Angeles und anschließender Festnahme nach Kräften, die Polizeikamera zu charmieren. Es gelang ihm nicht. Es ist unmöglich, sagte der Mime Jahre später, in einem “mugshot” vorteilhaft zu wirken.
Trotzdem gilt Grants “Kopfschuss” bis heute als Mona Lisa der amtlichen Fotos für die polizeiliche Verbrecherkartei. Galt.
Glaubt man Laura Loomer, einer bekannten ultra-radikalen Anhängerin des 45. amerikanischen Präsidenten, ist seit Donnerstagabend 21 Uhr Donald Trump der Goldstandard bei jenen Schnappschüssen, für die schon Größen wie Al Capone oder Frank Sinatra still sitzen mussten.
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Um diese Zeit meldete der Sheriff von Fulton County im US-Bundesstaat Georgia, Patrick Labat, dass der prominente Kurzzeit-Häftling mit der Nummer P01135809 in der berüchtigten Justizvollzugsanstalt in der Rice Street in Atlanta ordnungsgemäß erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Also auch mit “mugshot”.
Da war Trump schon wieder in seinem Privatflugzeug, um der Stätte der historischen Schmach so schnell wie möglich den Rücken zuzukehren. Historisch, weil es bisher in den Vereinigten Staaten noch nie einen präsidialen “mugshot” gegeben hat.
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Aber es gab ja auch noch nie einen Ex-Präsidenten, der nach Überzeugung von Staatsanwälten landauf, landab die friedliche Übergabe der Macht lange verweigerte und nachträglich eine Wahlniederlage in einen Wahlsieg umfrisieren wollte.
Zur Erinnerung: Trump hatte am 2. Januar 2021 den obersten Wahlleiter von Georgia, Brad Raffensperger, am Telefon aufgefordert, nachträglich rund 12 000 Stimmen zu "finden", um seine Niederlage in dem Bundesstaat zu drehen.
Unter anderem darum musste Trump (nach vorheriger Anklage durch die Bezirksstaatsanwältin Fani Willis) am Donnerstagabend aus seinem Golf-Domizil Bedminster in den Süden fliegen und sich den Behörden stellen. Willis stützt ihre Anklage gegen Trump und 18 Komplizen auf das RICO-Statut, das für gewöhnlich nur bei der Verfolgung der Mafia und der Organisierten Kriminalität zur Anwendung kommt.
1,90 Meter groß. 97 Kilogramm schwer
Der formale Vorgang in Atlanta, für Trump binnen weniger Monate nach ähnlichen Auftritten in New York, Miami und Washington der vierte seiner Art, sah neben dem Lichtbild, auf dem der 77-jährige nach ersten Stilkritiken wie ein “alter Habicht in Lauerstellung” wirkt, die Abnahme von Fingerabdrücken und anderen Parametern vor.
Am Ende stand in Trumps Akte: “1,90 Meter groß. 97 Kilogramm schwer. Männlich. Haarfarbe Blond oder Erdbeerblond. Augen blau.
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Vor allem die (offenbar von Trump freihändig eingetragene) Gewichtsangabe löste in sozialen und echten Medien unverzüglich Gemurre aus. Einige Reporter gaben an, dass sich Trump noch im Frühjahr auf mindestens 109 kg taxiert hatte.
Kann Trump seither wirklich zwölf Kilo abgenommen haben? Legen die Fotos von ihm auf dem Golfplatz nicht das Gegenteil nahe? Andere erinnerten daran, dass er ex-präsidiale Bodymass-Index stets an der Grenze zur Fettleibigkeit gelegen habe. Oder darüber.
Foto wird zu Geld gemacht
Einerlei. Aus dem Umfeld der Wahlkampagne Trumps war Zufriedenheit mit dem “mugshot” zu hören, mit dem man ab sofort Kasse machen will. Für eine Mindesteinlage von 47 Dollar gibt es seit Donnerstagnacht ein weißes T-Shirt mit dem Polizei-Foto - darunter steht: “Niemals aufgeben!”
Um das Geschäft anzukurbeln, kehrte Trump nach gut zweieinhalb jähriger Abwesenheit auf den inzwischen Elon Musk gehörenden Schnatter-Kanal X (einst Twitter) zurück. Trump, der dort 86 Millionen Abonnenten hat, postete am Donnerstagabend seinen ersten Beitrag seit Januar 2021.
Trump: "Das ist ein trauriger Tag für Amerika"
In der Sache, die gestern in Atlanta nicht verhandelt wurde, dies wird bei der offiziellen Anklageverlesung am 5. September geschehen, wiederholte Trump nach dem knapp 20-minütigen Verfahren, über das aus luftiger Höhe lediglich Hubschrauber von TV-Sendern mit nichtssagenden Bildern berichteten, seine bekannte Meinung: “Das ist ein trauriger Tag für Amerika. Ich habe nichts falsch gemacht. Das ist eine Justiz-Farce. Einziges Ziel: In die Wahl 2024 einzugreifen”.
Dem schließen sich die Republikaner im Kongress in Washington mit einem außergewöhnlichen Störmanöver an. Der Abgeordnete Jim Jordan, ein treuer Trumpianer, will Staatsanwältin Willis ins Verhör ziehen. Es bestehe der Verdacht, dass sich die schwarze Juristin mit dem auf Bundesebene gegen Trump arbeitenden Sonder-Ermittler Jack Smith abgesprochen habe. Ob Willis auf das parlamentarische Auskunftsbegehren zu einem laufenden Verfahren reagieren muss, halten Rechtsexperten für fraglich.
"Zügiger Prozess"
Immer fraglicher wird auch das Zeitgerüst für den Georgia-Prozess. Willis wollte Anfang März 2024 starten. Nachdem aber Kenneth Chesebro, einer von 18 Mitangeklagten Trumps und ehemaliger Anwalt des Ex-Präsidenten, einen “zügigen Prozess” verlangte und Richter Scott McAfee dem stattgab, soll Chesebro bereits in zwei Monaten im Gerichtssaal stehen.
Der Mann war laut Anklage maßgeblich an dem Versuch beteiligt, in Georgia und anderswo illegale Wahlmänner für das “electoral college” aufzustellen, um nicht Joe Biden sondern Donald Trump ins Weiße Haus zu bringen.
Damit ist klar, das Willis` Ziel, alle Angeklagten im Paket vor Gericht zu bringen, bereits verfehlt ist. Trump, der kurz vor seinem Gefängnisbesuch in Atlanta den ortskundigen Staranwalt Steven Sadow verpflichtete, will seinen Prozess hinter die Präsidentschaftswahl 2024 verlegt wissen. Daraus aber wird voraussichtlich nichts.
Was Trump wütend machen und mit der auf 200 000 Dollar festgesetzten Kaution in Konflikt bringen wird, die ihm die Untersuchungshaft erspart. In der mit Trumps Anwälten ausgehandelten Kautionsvereinbarung ist definiert, das Trump auch in sozialen Medien Mitangeklagte und Zeugen nicht beleidigen, bedrohen oder einschüchtern darf. Tut er es trotzdem, wird die Kaution erhöht. Sogar Beugehaft ist möglich.
Trump: "Ich könnte weit wegfliegen, vielleicht nach Russland"
Einen Vorgeschmack darauf, dass der 77-Jährige sich den Mund eher verbrennt, denn verbieten lässt, gab Trump mit einem sarkastischen Flucht-Hinweis: „Ich könnte weit wegfliegen, vielleicht nach Russland, Russland, Russland, um mit Wladimir eine Suite mit Goldkuppel zu teilen und niemals wieder gesehen oder gehört werden.“
Grund, sich aus dem Staub zu machen, hätte Trump, der sich als Opfer einer demokratischen Gesinnungs-Justiz stilisiert, nach Ansicht von Juristen durchaus. Bei einer Verurteilung drohen ihm fünf Jahre Haft. Mindestens. Sich selbst zu begnadigen, wie bei anderen Verfahren in gleicher Sache möglich, funktioniert in Georgia nicht.
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