Die Wiederentdeckung Europas durch die USA

US-Außenminister Mike Pompeo in Bratislava: Warnung vor Russland und China
Washington dürfte wieder Interesse an der Alten Welt haben – Anlass ist vor allem Einflussnahme Moskaus

Der Name klingt ganz unverfänglich: „Deutsches Zentrum für Eurasische Studien“. Und unschuldig klingt auch der im Vereinsregister eingetragene Vereinszweck. Viel von Demokratie ist da die Rede, von sachlicher und finanzieller Hilfe bei der Durchsetzung und Etablierung demokratischer Standards. Und dennoch: Seit seiner Eintragung im Frühjahr 2016 beschäftigt der Verein den Deutschen Verfassungsschutz.

Es ist vor allem ein Name im eingetragenen Vorstand, der die Behörden aufhorchen ließ: Mateusz Piskorski. Nur wenige Wochen nach Eintragung saß der Pole in Warschau in Haft – und tut das bis heute. Der Vorwurf: Spionage für Russland. Interessant wird es, betrachtet man, wer noch so als Funktionär des Vereins eingetragen ist: Da ist Markus Frohnmaier, damals Chef der AfD-Jugendorganisation und Sprecher von Spitzenkandidatin Alice Weidel, der Thüringer AfD-Mann Thomas Rudy sowie Manuel Ochsenreiter, AfD-naher Publizist und Vorstand des Vereins. Piskorski sogar als Vize-Vorsitzender.

Deutsche Nachrichtendienste stuften den später in Polen inhaftierten bereits damals zumindest als bezahlten pro-russischen Agitator ein. Und die Causa um den dubiosen Verein ist kein Einzelfall.

Vakuum

Von einem Vakuum das die USA in den letzten Jahren in Europa hinterlassen hätten, sprach US-Außenminister Mike Pompeo am Montag in Budapest im Rahmen einer Pressekonferenz mit Ungarns Außenminister Peter Szijjarto. Zu lange seien die USA von der Region abwesend gewesen, in das entstandene Vakuum seien „unsere Rivalen“ vorgestoßen. Damit meinte er Russland und China. Diese, so Pompeo, versuchten einen Keil in den Westen zu treiben. Konkret kritisierte Pompeo die Energiepolitik Ungarns. Zudem mahnte er in recht undiplomatischer Manier ein Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten ein – und zog damit den Zorn seines Gastgebers auf sich.

Das war eine unverhohlene Breitseite. Die Regierung des NATO-Landes unter Premier Viktor Orban gilt als engster Verbündeter des Kreml in EU-Europa. Orban pflegt beste Beziehungen zu Moskau in vielerlei Fragen von Migration über die Ukraine bis hin zu geteilten Ansichten zur Familienpolitik.

Am Dienstag war Pompeo in Bratislava und warnte erneut vor Russland. Danach wird er Belgien (Mittwoch), Polen (Donnerstag) und Island besuchen. Die dominierenden Themen von Pompeos Reise: Russland, der Iran, China, die Krisen in Nahost, die NATO sowie der zuletzt von den USA aufgekündigte INF-Vertrag mit Russland über das Verbot atomar bestückbarer Mittelstreckenraketen. Am Mittwoch will die NATO in Brüssel zu dem Thema beraten. In Europa dominieren Ängste vor einem Wettrüsten. Vor allem auch, da von solchen Mittelstreckenraketen (Reichweite bis 5500 km) vor allem Europa bedroht wird.

Der Auftakt des US-Ministers zu seiner Europa-Tour jedenfalls wirkte, als hätten die USA Europa neu entdeckt. Schien die Alte Welt US-Präsident Donald Trump bisher doch vor allem zu nerven. Bestenfalls Skandale wie der Nervengift-Anschlag auf den russischen Ex-Doppelspion Sergej Skripal oder die Affäre um russische Agenten, die versucht hatten die Organisation zum Verbot von chemischen Waffen (OPCW) zu hacken, schienen zumindest ins Oval Office vorzudringen.

In der Tat aber waren diese Fälle nur Auswüchse eines Trends. Russland, so heißt es in einem Papier des deutschen Bundesnachrichtendienstes etwa, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert, sei seit längerem in Europa bemüht, Meinungsführer und Parteien zu fördern, die positiv gegenüber Russlands Politik eingestellt sind.

Im Fall des eingangs erwähnten Zentrums für Eurasische Studien bedeutete das vor allem die Organisation politisch eindeutig ausgerichteter Wahlbeobachtungsmissionen etwa auf der Krim, in der Ostukraine oder in Bergkarabach – mit dem Ziel, diesen Gebieten Legitimität zu verleihen. Eingeladen wurden zu solchen Missionen prominente Politiker überwiegend vom rechten, aber auch linken Rand. Hunderttausende Euro sollen zur Organisation solcher Missionen über Piskorskis Vereine geflossen sein. Spendengelder, über deren Herkunft man keine Auskunft gab.

Gegen Ochsenreiter wird inzwischen in Polen und Deutschland wegen „Terrorfinanzierung“ ermittelt. Er soll über polnische Neonazis mit engem Russland-Bezug einen Brandanschlag in der Ukraine orchestriert haben. Ochsenreiter werden beste Beziehungen zu Alexander Dugin nachgesagt. Dugin gilt als Ideologe der neuen Rechten und ist mit der politischen Elite in Moskau bestens vernetzt. Und: Das Deutsche Zentrum für Eurasische Studien ist nur ein gut dokumentiertes Beispiel. Mittlerweile stehen „alternative Medien“, Vereine, Partei-Vorfeldorganisationen und auch Sekten auf der Liste beobachteter Strukturen mit Russlandbezug – europaweit.

Ganz legale Schützenhilfe aus Moskau für europäische Gesinnungsgenossen kommt indes in Form von Krediten, günstigen Energiedeals oder Höflichkeitsbesuchen.

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