Die Guten, die Schlimmen und ganz Bösen

Die Guten, die Schlimmen und ganz Bösen
Sechs Millionen Syrer sind auf der Flucht vor einem Krieg mit unüberschaubaren Fronten.

Die „guten“ Rebellen gegen das „böse“ Regime von Diktator Assad – so war es nur in den ersten Monaten des Aufstandes gegen das Regime. Mittlerweile kämpfen Tausende ultra-radikale, kampfgeschulte islamische Extremisten in Syrien, in verschiedensten Gruppen, eine grausamer als die andere. Sie kommen aus dem Irak, Iran, Libanon, Kaukasus, aus Nordafrika, Europa und töten im Namen des „Dschihad“, wer aus ihrer Sicht auf der falschen Seite steht. Nicht nur Assads Soldaten oder deren besonders grausame zivile Milizen, die gefürchteten Shabiha, sondern auch: die christliche Minderheit und die Kurden.

In Zentral- und Ostsyrien hat die El-Kaida-nahe Al-Nusra-Miliz in den von ihr eroberten Gebieten begonnen, „provisorische Regierungen“ zu errichten. Gottesstaaten im Kleinen, wo die Scharia nun gilt. Gefangene werden exekutiert, gemäßigte Muslime ausgeschaltet. Noch radikalere Gruppierungen, wie die ISIS (Islamischer Staat im Irak und Sham), die ebenfalls Tausende ausländische Dschihadisten um sich geschart haben soll, haben sich nach internen Machtkämpfen abgespalten und kämpfen ihren eigenen Kampf.

Verwirrendes Chaos

Es ist dieses unübersichtliche Chaos aus immer weiter vorrückenden radikalen Extremisten, die Washington in der Vorbereitung auf einen Militärschlag gegen Syrien lange zögern ließ. „Es sind höchstens 15 bis 25 Prozent der Kämpfer in Syrien, die wir als böse Jungs bezeichnen würden“, versuchte US-Außenminister Kerry zu beruhigen. Der großen Mehrheit der moderaten Rebellen, den Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA), müsse hingegen dringend geholfen werden.

An die 80.000 Mann soll die FSA umfassen, Tausende Soldaten und Offiziere der Assad-Armee sind zu ihr übergelaufen. Nach schweren militärischen Rückschlägen im Frühling hat die FSA, dank Waffenlieferungen aus dem Westen, Saudi-Arabien und Katar, aber auch logistische Unterstützung wieder an Boden gewonnen. Ihr Ziel, das Regime zu stürzen, liegt aber in weiter Ferne. Immer öfter kommt es noch dazu zu Rivalitäten mit den radikal-islamischen Milizen der Al Nusra und der ISIS. In einigen Regionen im Osten überließ die FSA den Extremisten bereits ganz das Feld.Die Wucht des Vorstoßes der Radikal-Islamisten richtet sich auch gegen die Kurden in Nordsyrien. Kampflos waren dort Assads Soldaten praktisch über Nacht verschwunden, blitzartig zogen die politisch gut organisierten Kurden ihre eigene Verwaltung hoch. Die Ruhe währte kurz: Terroranschläge und Angriffe der Dschihadisten gegen die Kurdenmilizen forderten Hunderte Todesopfer. Im Visier der Radikalen: die Erdölfelder.

Die EU hat keinen Zweifel mehr darüber, dass im syrischen Bürgerkrieg Chemiewaffen eingesetzt worden sind. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte zum Auftakt von Beratungen mit den europäischen Außenministern in Vilnius am Freitag: "Niemand ist der Ansicht, dass dies keine Chemiewaffenattacke war." Schließlich hat man sich darauf verständigt, den Bericht der UNO abzuwarten und dem Sicherheitsrat vorzulegen. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger: "Jetzt warten wir einmal den Bericht der UNO-Inspektoren ab, das ist das wichtigste. Der muss auf den Tisch des UNO-Sicherheitsrates." "Erstaunt" zeigte sich Spindelegger über das Angebot von Verteidigungsminister Gerald Klug, österreichische Chemiewaffenexperte nach Syrien zu schicken. "Das ist keine abgesprochene Linie in der Bundesregierung. Ich halte das auch zu diesem Zeitpunkt für verfrüht. Letztlich herrscht dort Krieg", sagte Spindelegger. "Normalerweise wird auch an die UNO ein Angebot gemacht und nicht an einen anderen Staat."

Auch der amerikanische Außenminister John Kerry hat nach Angaben aus Teilnehmerkreisen seinen europäischen Kollegen versichert, dass die USA vor einem Militärschlag gegen Syrien den Bericht der UNO-Inspektoren abwarten wollten. In den Kreisen hieß es nach der gemeinsamen Aussprache am Samstag in Vilnius, es sei ziemlich klar gewesen, "dass die Vorlage der Inspektoren abgewartet wird". Dieser Bericht der UNO wird nach Angaben von Diplomaten frühestens Ende nächster Woche erwartet. Kerry habe den Europäern offenbar in Anspielung auf den Irak-Krieg gesagt, er wisse aufgrund von früheren Erfahrungen, dass die Glaubwürdigkeit der USA begrenzt sei, sagte ein Teilnehmer des Treffens in Vilnius, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Kommandanten für Chemiewaffen

Nach Informationen der Bild am Sonntag seien es die syrischen Divisions- und Brigadekommandanten gewesen, die seit rund vier Monaten immer wieder den Einsatz von Chemiewaffen gefordert haben. Das würden Funkgespräche belegen, die das Flottendienstboot "Oker" abgefangen habe, berichtete das Blatt unter Berufung auf Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen. Das Spionageschiff der deutschen Marine kreuze vor der Küste Syriens. Den Erkenntnissen der Abhörspezialisten zufolge seien die von den Kommandanten verlangten Giftgas-Angriffe aber stets abgelehnt und der Einsatz vom 21. August wahrscheinlich nicht von Syriens Präsident Bashar al-Assad persönlich genehmigt worden.

Obamas Offensive

Wenige Tage vor Beginn entscheidender Kongress-Abstimmungen startet US-Präsident Barack Obama eine Großoffensive, um Zustimmung zu seinem geplanten Militärschlag gegen Syrien zu erreichen. Dem Weißen Haus zufolge plant Obama am Montag Interviews mit sechs Fernsehsendern, bevor er sich dann am Dienstagabend aus dem Oval Office an die Nation wenden wird. Obama muss derzeit befürchten, dass der Kongress einen Waffengang nicht billigen wird. Senat und Abgeordnetenhaus kehren am Montag aus den Sommerferien nach Washington zurück. Noch in der laufenden Woche könnte dann zumindest der Senat über eine Resolution abstimmen, die einen begrenzten Militärschlag gegen das Regime von Bashar al-Assad billigt. Wie der Zeitplan im Abgeordnetenhaus aussieht, blieb zunächst unklar.

Der Iran warnte einmal mehr vor einem westlichen Waffengang in Syrien. "Die Amerikaner sind sich nicht bewusst, dass der Anfang dieser Krise vielleicht einfach erscheint, das Ende aber sehr höllisch werden könnte", sagte der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani. In Syrien warte ein Minenfeld.

Kommentare