Giorgia Meloni sitzt Matteo Salvini im Nacken – und das macht ihn nervös. Sie, die 44-jährige Römerin, führt mit Verve und wohltemperierten Aktionen die rechte Partei Fratelli d’Italia (FdI). Er, der 48-jährige Mailänder an der Spitzer der Lega, versucht sich ihr mit rechtsnationalem Esprit und medienwirksamen Ankündigungen entgegenzusetzen. Die Lega ist Teil der Regierungskoalition, FdI ist, als einzige große Partei, in der Opposition.
Eine Position, die Meloni aber nicht schadet, im Gegenteil. Mittlerweile liegt FdI in den Umfragen bei 19 Prozent, hat die linke Demokratische Partei (PD) überholt und steht nur zwei Prozentpunkte hinter der Lega. Salvini versucht jetzt mit allen Mitteln, Melonis Aufstieg zu stoppen. Er fürchte um die Führung innerhalb des rechten Lagers. Vor ein paar Tagen hat er eine Fusion von FdI, Lega und Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi vorgeschlagen. Meloni hat ihn aber wissen lassen, sie halte nichts von „kalten Fusionen
Erstaunliche Karriere
Auch auf EU-Ebene übt sich Salvini: Vorige Woche hat er in Portugal einen Zusammenschlusses aller rechten Fraktionen samt Europäischer Volkspartei (EVP) im EU-Parlament vorgeschlagen. Meloni hat auch hier abgewinkt, zumal sie ja selber an der Spitze der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), der drittgrößte Fraktion im EU-Parlament, steht.
Aufgewachsen im Armenviertel
Wer ist aber diese Frau, die es als Erste und bisher Einzige in Italien geschafft hat, eine Partei zu führen? Vor ein paar Wochen ist ihre Autobiografie „Io sono Giorgia“ (Ich bin Giorgia) erschienen. Sie erzählt darin von einer nicht immer leichten Kindheit und Jugend. Der Vater hatte die Familie verlassen, die Mutter musste sich um die zwei Töchter kümmern. Aufgewachsen ist sie im ehemaligen römischen Arbeiterviertel Garbatella, in dem es von Kommunisten nur so wimmelte. Sie ging aber zur Jugend-Organisation der postfaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI). Eine Wahl, die ihr viele Hürden in den Weg stellte. „Wie konnte es auch anders sein, ich bin eine Frau – und noch dazu im falschen politischen Lager geboren“, sagte sie einst in einem Interview.
Nichtsdestotrotz schaffte sie es bis ganz hinauf. 2006 wurde sie zum ersten Mal ins Parlament gewählt. 2008 holte sie Berlusconi in seine Regierung als Ministerin für Jugendpolitik und Sport. 2012 trat sie mit einer Gruppe Gleichgesinnter aus Berlusconis damaliger Partei Popolo della Libertà (PdL) aus und gründet FdI, dessen Führung sie 2014 übernahm. Was ihr Privatleben betrifft so hat sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine kleine Tochter.
Gespür für Stimmungen
Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt in ihren rhetorischen Fähigkeiten. Es sind zwar keine begnadeten Reden, die sie hält, aber bodenständige. Ihr politisches Credo fußt auf drei Säulen: Vaterland, Familie und christliche Wurzeln. Eigentlich sind es dieselben, auf die sich auch Salvini stützt. Doch Meloni verfügt über ein ausgeprägtes Gespür für das Volk und den richtigen Augenblick. Sie weiß, dass die Italiener von der Pandemie ausgelaugt sind und nur einen Wunsch haben: Dass Premier Mario Draghi Italien wirklich wieder auf die Beine bringt. Daher auch ihre Aussage, ihre Beziehungen zu Draghi seien gut, die zu Salvini wechselhaft.
Dasselbe gilt für die EU. Zwar eckt sie immer wieder an Brüssel an, da sie aber weiß, dass Italien die 209 Milliarden Euro Hilfsgelder aus dem Recovery Fund dringend braucht, erklärt sie, FdI sei sehr wohl pro-europäisch, man stehe aber für eine Föderation selbstständiger Staaten.
Auf eine klare Distanzierung vom Faschismus wartet man indes heute vergeblich. Erst in der Vorwoche schrieb sie in einer Stellungnahme, FdI sei gegen jegliches totalitäre Regime, „der Faschismus war aber keine italienische Besonderheit. Ganz Europa befand sich in der Gewalt der Ideologien, der nationalsozialistischen, der faschistischen und der kommunistischen.“
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