Grünes Licht für Draghi: Super-Mario vor der Herkules-Aufgabe

Mario Draghi to meet parties leaders
In Italien stimmt die Basis der Fünf-Sterne-Bewegung Mario Draghi als Premier zu. Selbst Rechtspopulist Salvini steht jetzt zu einer Europa-freundlichen Regierung.

Von Andrea Affaticati

Ob der designierte Regierungschef Mario Draghi wirklich über Super-Kräfte verfügt, ist noch nicht bewiesen. Zweifelsohne ist ihm aber in dieser Woche der Regierungskonsultationen schon ein kleines Kunststück gelungen. Er hat es geschafft, den rechtsnationalen Matteo Salvini auf seine Seite zu bringen. Der Lega-Chef entdeckte im Laufe der Konsultationstreffen plötzlich sein Herz für die EU und sagte vor laufenden Kameras: „Uns ist wichtig, dass Italiens Interessen in der EU verteidigt werden, und zwar im Rahmen einer europäischen Gesinnung.“

Second round of meetings for the designated-prime minister Mario Draghi

Salvini, jetzt pro-europäisch

Die Wende hat für großes Aufsehen gesorgt, wobei genau besehen Salvinis Sinneswandel schon seit einiger Zeit, wenn auch nur sehr zögerlich und auf Drängen seines Stellvertreters Giancarlo Giorgetti, im Gange ist. Außerdem hätte der Sockel der Partei im Norden Salvini ein Veto nie verziehen. Immerhin hängt der norditalienischen Wirtschaftsmotor des Landes maßgeblich von den Beziehungen mit den EU-Staaten ab.

Ob und wie lange Salvinis Sinneswandel dauern wird und demzufolge sein Einverständnis mit Draghi, ist allerdings schwer zu sagen.

Grillo musste es richten

Ihr Einverständnis gab am Donnerstagabend schließlich auch die Basis der krisengebeutelten Fünf-Sterne-Bewegung. Mit 59,3 Prozent der Stimmen entschieden die Teilnehmer eines Online-Votings für die Partei, den designierten Premierminister Mario Draghi bei der Bildung einer Regierung zu unterstützen.

Das Ergebnis war zwar deutlicher als erwartet, trotzdem gilt die Bewegung seit den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 als tief gespalten. Nachdem sie damals mit 33 Prozent als stärkste Kraft aus der Wahl hervorkam, hat die Bewegung rasant an Zuspruch verloren und liegt heute in den Umfragen bei 16 Prozent. Der Absturz hat zu tiefen internen Gräben geführt. Und so musste wieder einmal der Komiker und Gründer Beppe Grillo einschreiten, obwohl er schon lange nicht mehr Parteichef ist, sondern  nur mehr  der „Elevato“, der Edle, wie er sich selber bezeichnet.

Grillo war also nach Rom gekommen, um persönlich die Gespräche mit Draghi zu führen. Seine Zusage an eine Draghi-Regierung – "denn die Erdbeeren sind nun reif", wie er in seinem Blog schrieb – löste vorübergehend in der Basis einen so heftigen Unmut aus, dass er die Online-Abstimmung der Mitglieder um einen Tag auf Donnerstag verschoben hatte.

Umwelt ist Trumpf

Den Widerspenstigen hatte Grillo die Zustimmung zu einer Teilnahme an einer Regierung unter Draghi unter anderem so schmackhaft gemacht, indem er die ökologische Karte - schon immer eine Priorität der Bewegung - zückte. Draghi habe sich bereit erklärt, ein Ministerium für den ökologischen Übergang einzurichten, ließ Grillo wissen.

Zwei wichtige Fragen blieben heute aber offen. Wie lange kann eine Regierungskoalition halten, die einen Bogen von der Lega bis zu den Demokraten umspannt? Und welchen Spielraum wird sie haben?

Bis zum Ende

Matteo Renzi, der Vorsitzende von Italia Viva, der die letzte Regierung platzen ließ, schwört darauf, dass die Draghi-Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 dauern wird.

Der gesundheitlich stark angeschlagene Silvio Berlusconi, der gegen dem Rat seiner Ärzte nach Rom kam, um Draghi seine Aufwartung zu machen, sagte wiederum den Journalisten nach dem Treffen: „Die Regierung wird so lange dauern, bis wir aus dieser dramatischen gesundheitlichen,  wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise raus sind.“ Anders gesagt bis die Pandemie unter Kontrolle, die Massenimpfung beendet und der Recovery Plan unter Dach und Fach sind.

Nur, Italien, seit Jahren der kranke Mann Europas, braucht weitaus mehr. Und zwar Reformen im Staatsapparat, in der Justiz, in der öffentlichen Verwaltung und in der Bürokratie. Deshalb hat Präsident Sergio Mattarella Draghi gerufen. Ob er das leisten können wird, hängt jetzt auch von seinem Team ab.

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