"Faule Briten": Die Fettnäpfchen der möglichen Johnson-Nachfolger
Boris Johnson ist dafür bekannt, kaum ein Fettnäpfchen auszulassen. Aber auch die zwei Kandidaten um die Nachfolge des Chefs der konservativen Tory-Partei und der britischen Regierung beweisen dieser Tage, dass sie durchaus mithalten können.
Anti-Robin-Hood
So müht sich der wohlbetuchte Ex-Finanzminister Rishi Sunak, dem die Hemdsärmeligkeit der Marke Johnson fehlt, gerade mit seiner Geldpolitik ab und bekommt oft zu hören, die höchste Steuerlast seit 70 Jahren erlaubt zu haben.
Auch ein Video von einem Besuch in dem wohlhabenden Ort Royal Tunbridge Wells nahe London, wo Sunak Regierungsversprechen von Investitionen in unterprivilegierte Regionen zu widersprechen schien, stieß weithin auf Hohn.
„Wir haben von der Labour Partei Formeln geerbt, die die gesamte Finanzierung in benachteiligte städtische Gebiete schob”, sagte er dort und gerierte sich als Anti-Robin-Hood. „Ich habe begonnen, das zu ändern, damit Gegenden wie diese die Förderung erhalten, die sie verdienen”.
Auch Favoritin und Außenministerin Liz Truss ging kürzlich für viele einen Schritt zu weit. Sie kündigte an, die Löhne von öffentlich Beschäftigten außerhalb von London und den wohlhabenderen Gebieten Südenglands zu senken, um die „regionalen Lebensverhältnisse besser widerzuspiegeln".
Durch geringere Gehälter in ärmeren Regionen wollte sie knapp 9 Milliarden Pfund (10.7 Milliarden Euro) einsparen. Nach scharfer Kritik, auch aus den eigenen Reihen, ruderte sie zurück.
Neue Maggie Thatcher
Jetzt bereitet Truss, die sich gerne als Patriotin präsentiert, eine dem Guardian zugespielte Tonbandaufnahme mit explosiven Kommentaren Kopfschmerzen. „Es gibt ein grundlegendes Problem der britischen Arbeitskultur”, sagte sie da vor einigen Jahren, als sie die Nummer 2 im Finanzministerium war. „Wenn wir ein reicheres Land sein wollen, muss sich das im Wesentlichen ändern”.
Das Land brauche „more graft", also mehr Schufterei, mehr harte Arbeit, meinte die Frau, die sich gerne als die neue Maggie Thatcher stilisiert und als Darling des rechten Parteiflügels gilt.
Auch dass die Produktivität in London höher sei als im Rest des Landes, betonte Truss in der Aufnahme. „Das ist teilweise eine Einstellungssache“, argumentierte sie. „Wenn Sie nach China gehen, ist es ganz anders“.
Am Dienstagabend wurde Truss bei einem Auftritt vor Parteimitgliedern in Schottland mit den Aussagen konfrontiert und signalisierte, sie teile zumindest weiterhin die Grundidee. „Was wir in diesem Land brauchen ist mehr Produktivität, und mehr Wirtschaftswachstum”, meinte sie. Als Zuckerl für schottische Tories schoss sie nach: „Mehr Investitionen in die Whisky-Industrie sind wichtig“.
"Zu jung in Pension"
Truss und Tory-Kollegen hatten schon in dem 2012 erschienenen Buch „Britannia Unchained“, also „Britannia Entfesselt”, wenig schmeichelhafte Ansichten über die britische Arbeitsmoral dargelegt.
„Briten gehören zu den schlimmsten Faulenzern der Welt” und gehen zu jung in Pension, ist in der Streitschrift zu lesen. „Indische Kinder wollen Arzt oder Geschäftsmann werden, Briten interessieren sich eher für Fußball und Popmusik".
Truss erklärte kürzlich, Justizminister Dominic Raab, der Sunak unterstützt, sei für dieses Kapitel verantwortlich gewesen. Raab meinte aber, man hätte „gemeinsame Verantwortung“ für das Buch.
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