Die Biedermänner und der Brandstifter

Der Republikaner steht vor einer Niederlage, die weniger ihn als die US-Politik nachhaltig beschädigt. Beobachtungen aus einem traurigen Wahlkampf.

Eigentlich ist Josh mit Antworten schnell zur Hand. Egal, ob über die Klimakatastrophe oder Syrien, der Erstsemester-Student an der Georgetown Universität in Washington hat ein klares Bild von der Weltlage – und eine noch klarere Meinung dazu. Fragt man ihn aber nach der Präsidentenwahl, sucht der 19-Jährige lange nach Worten. "Mit bescheidener Begeisterung", sagt er schließlich, werde er Hillary Clinton wählen, "und mit noch viel bescheidenerem Optimismus".

Millennials nennt man Wähler wie Josh. Zwischen 1985 und 2000 geboren sind sie jene Bevölkerungsgruppe, die diese Wahl entscheiden wird – und viele von ihnen empfinden diese Entscheidung nicht als Chance, sondern als Belastung. "Wählen oder nicht", das ist für Jody, eine schwarze Studentin aus New York, "beides nichts als Frust". Trumps Schwarzmalerei vom Niedergang der USA stößt viele dieser jungen Wähler ab. Clinton aber kann sie auch nicht begeistern. Das "kleinere Übel" nennen sie viele Demokraten – und wie ein Echo kommt ein gleich lautendes Urteil aus dem Lager der Republikaner. Dort ist Trump das kleinere Übel, mit dem man sich abfinden muss, einfach weil man, so der Stoßseufzer vieler Konservativer, "Clinton nicht wählen kann". In einer Wahl zwischen den – laut Umfragen – unbeliebtesten Kandidaten seit Generationen dominieren negative Emotionen.

Wut auf das System

Die negativsten Emotionen aber findet man bei der einzigen Gruppe, die diese Wahl wirklich fanatisiert hat: Donald Trumps eingeschworene Fans. Dass der Milliardär schon jetzt die Wahl für manipuliert, das Ergebnis für gefälscht erklärt hat, bestätigt sie nur in ihrem Zorn auf das gesamte politische System. Es sind meist weiße Männer mit geringer Schulbildung, abgestiegen aus der einstigen Arbeiterklasse in unsichere Dienstleistungsjobs, oder in eine Dauer-Arbeitslosigkeit ohne Perspektive.

Dass Trump für das politische System nicht die geringste Wertschätzung zeigt, verbindet ihn mit dieser seiner Kernwähler-Schicht. Sie erwarten sich keine Reformen des Systems mehr, sondern schlicht dessen Zerschlagung. "Was Trump noch mehr als europäische Rechtspopulisten auszeichnet", erklärt Ramesh Ponnuru, gewichtige Expertenstimme im Lager der Republikaner, "ist das absolute Misstrauen seiner Wähler gegenüber allen Autoritäten".

Zerstörerisch

Dass Trump jetzt, getrieben von Beratern vom rechten Rand der Politik, auf diesem zerstörerischen Kurs steuert, sollte eigentlich die politische Mitte für seine Gegnerin öffnen. Die Obama-Koalition nennt man die Mehrheit, die den ersten schwarzen US-Präsidenten zwei Mal zum Sieg getragen hat. Clinton wollte diese Koalition für sich gewinnen – kam damit aber nicht weit. Denn Obamas Versprechen auf "Change", also "Veränderung", kann Hillary nicht geben. Es gebe kaum eine Kandidatin, die so sehr für die politische und wirtschaftliche Elite in Washington stehe, wie Hillary, urteilen Meinungsforscher. Wer sich für sie entscheide, wolle in Wahrheit eine Fortsetzung der Politik unter Obama, oder würde zumindest keine Alternative dazu sehen.

Clinton-Netzwerk

Hillary verkauft sich als erfahrene Realpolitikerin, die anders als ihr Vorgänger wisse, wie man tatsächlich Reformen durchsetzt. Doch in dem in Jahrzehnten dicht geknüpften System der Clintons sind zu viele Spieler integriert, die an Reformen, am versprochenen Ausbau des Sozialsystems, wenig Interesse haben. Die Wall Street und ihre prominentesten Vertreter wie Goldmann Sachs sind großzügige Finanziers der Clinton-Stiftung. Im etablierten System von Geben und Nehmen, das die US-Politik bestimmt, haben sie bei der Umverteilung staatlicher Ressourcen ein gewichtiges Wort mitzureden.Trump hat mit dem Argument, dass sich Clinton seit 30 Jahren im inneren Zirkel der Macht bewege und trotzdem all die jetzt versprochenen Reformen nicht zustande gebracht habe, seine stärkste Karte gezogen.

Mit seinen Skandalen, vor allem aber mit der aggressiven, kindisch beleidigten Reaktion auf deren Enthüllung hat Trump diese Karte selbst entwertet. Es sind weniger seine Argumente, sondern der Ton, mit der sie Trump in die Debatte einbringt, die ihn für die politische Mitte unwählbar machen.

"Ein Mann mit den Gefühlsschwankungen eines Teenagers sollte nicht das größte nukleare Arsenal der Welt befehligen", urteilte kürzlich die New York Times.

Allein dass dieser "Brandstifter", wie ihn ein Kommentator kürzlich nannte, im Rennen um die Präsidentschaft so weit kommen konnte, spricht Bände über seine Konkurrenz, vor allem über Hillary Clinton. "Ich bin für sie" (I’m with her"), das nichtssagende Motto der Kampagne lässt sogar viele Anhänger ratlos zurück. Emily etwa, 25-jährige Krankenschwester aus Washington, geht trotzdem für Clinton wahlkämpfen, wenn auch mit einer resignativen Erklärung: "Donald Trump sehe ich als Bedrohung, da ist es mir lieber, es bleibt vorerst alles, wie es ist."

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