Ein Gräberfeld vor Merkels Büro
Ich sage Ihnen, die Bilder sind authentisch“, sagt Stefan Pelzer. Er und seine drei Kollegen am Podium tragen Kriegsbemalung im Gesicht, symbolisch natürlich. Ihr Kampf ist allerdings handfest: Seit einer Woche sorgt das Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" in der deutschen Hauptstadt für hitzige Debatten, weil es auf örtlichen Friedhöfen Beerdigungszeremonien für Flüchtlinge abhält.
Man will die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer ins Bewusstsein rücken, plakativ, mit viel Getöse. "Die Toten kommen", heißt die Aktion.
Auf dem Foto, das Pelzer hochhält, sind gestapelte Flüchtlingsleichen zu sehen, unmenschlich in einen Kühlschrank gestopft. Daneben fließt Flüssigkeit aus, vermutlich Blut. Aufgenommen sei es auf Sizilien geworden, von einem Mitarbeiter des Kollektivs, der dort auf der Suche nach Massengräbern war.
"Da sind Leichen überall"
Vor eineinhalb Jahren habe man damit begonnen, an den Außengrenzen der EU nach den toten Flüchtlingen zu suchen. Gestoßen sei man auf viele Gräberfelder, in denen die zumeist Namenlosen beerdigt worden seien, erzählen die Künstler. "Da sind Leichen überall", sagt Philipp Ruch, der künstlerische Leiter des Kollektivs. "Und keiner stellt die Frage, was mit den tausenden Toten passiert."
Auf diese Leerstelle will das Kollektiv aufmerksam machen. "Deutschland schottet sich ab", sagt Ruch - deshalb holt man nun die Körper der Ertrunkenen dorthin, wo sie sonst keiner sieht: Am Dienstag wurde deshalb auf einem Berliner Friedhof eine ertrunkene Frau aus Syrien beerdigt, heute folgte die Bestattung eines Familienvaters aus Damaskus. Ein Imam leitete die Zeremonien, die Angehörigen waren per Video zugeschaltet - sie durften schließlich nicht einreisen.
Zweifel, dass es sich bei den Aktionen eher um Kunst denn um wirkliche Beerdigungen handelte, zerstreuen die Künstler. Man habe die Verstorbenen exhumiert, unter riesigem Aufwand; ihre Leichen seien mit Zustimmung der Angehörigen nach Berlin überstellt worden. Die Polizei in Bayern könne das bestätigen - die habe den Transport kurzfristig angehalten.
Bagger vor dem Kanzleramt
Es sollen noch mehr werden, sagen die Künstler. Echte Gräber und symbolische: Am Sonntag will man das Kollektiv vor dem Kanzleramt im Regierungsviertel nämlich mit einem Bagger auffahren und mit Demonstranten gemeinsam ein riesiges Gräberfeld errichten. "Bringen Sie Blumen, Schaufeln, Steinpickel oder gleich Presslufthämmer mit!", lautet der Aufruf, um gegen die "Teflon-Politiker" im Regierungsviertel Stellung zu beziehen. Denn: "Deutschland schottet sich ab“, und damit müsse jetzt Schluss sein.
Die Politik selbst hat bisher wenig zu den Aktionen gesagt. Nur Lokalpolitiker äußerten sich, dass man das Geschehen so nicht dulden werde. Die Polizei ist alarmiert und hat ein Lagezentrum eingerichtet. Man geht davon aus, dass sich nicht zu wenige Menschen an der Aktion am Sonntag beteiligen werden.
In den vergangenen Monaten sorgte das "Zentrum für politische Schönheit" immer wieder für Schlagzeilen. Aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik stahlen die Aktivisten etwa 14 Gedenkkreuze für Maueropfer am Spreeufer, später brachten sie diese wieder zurück - deutschlandweite Schlagzeilen waren die Folge. Für eine fingierte Hilfsaktion zugunsten von Kindern aus Syrien fälschten die Künstler später eine Homepage des Familienministeriums.
Auch jetzt installierten sie eine fingierte Website des Innenministeriums, auf denen die oben beschriebenen Leichen-Bilder zu sehen sind - auf Twitter sorgte zudem die Ankündigung, dass Bundespräsident Gauck bei der Aktion vor dem Kanzleramt dabei sein solle für Aufregung. Das Präsidialamt dementierte umgehend.
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