Schwarz-Grün kommt (noch) nicht

Gehen als überragende Wahlsieger zuversichtlich, aber nicht überheblich in die „letzte“ Sondierung mit der SPD: Kanzlerin Merkel und die Verhandlungsführer von CDU und CSU
Nach dem Scheitern der Sondierung der Union mit den Grünen bleibt ihr nur die SPD als Partner.

Niemand hatte ernsthaft erwartet, dass Schwarz-Grün eine Chance haben würde, zumindest nicht in diesem allerersten Anlauf. Schon gar nicht die Verhandler beider Seiten. Niemand aber hatte das erwartet: Ernsthafte, sachliche Gespräche von insgesamt zehn Stunden, die in bester Atmosphäre das Fundament für künftige Koalitions-Optionen legen könnten. Dass es am Dienstag mit Schwarz-Grün „noch nicht“ klappte, schrieben die Medien überwiegend dem nach der Wahlniederlage abgetretenen Fraktionschef Jürgen Trittin zu. Der habe als Noch-Exponent des linken Flügels nicht auf die von ihm konzipierten massiven Steuererhöhungen verzichten wollen.

„Die Türen sind ab jetzt nicht mehr zugenagelt“, freute sich dessen parteiinterner Widersacher vom „Realo“-Flügel, Parteichef Cem Özdemir. Und am Morgen danach deuteten er und die mit ihrem neuen Traum-Job als Bundestagsvizepräsidentin plötzlich zur Staatsfrau gereifte Noch-Parteichefin vom „Fundi“-Flügel, Claudia Roth, an, dass sie sich sogar weitere Gespräche mit Merkels Union vorstellen könnten – sollte deren Sondierung mit der SPD scheitern.

Gespannt

Denn die zweite Runde mit der SPD-Führung am Montag war bei Weitem nicht so freundlich verlaufen wie jene mit den Grünen. Zwischen Unionsvertretern und denen der SPD war es zu Schreiereien gekommen, inhaltlich gab es kaum Annäherungen.

Vor allem die chronisch Schulden machende nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gibt sich gegenüber der Union hartnäckig, wie selbst Verhandler um ihren parteiinternen Widersacher, SPD-Chef Sigmar Gabriel, einräumen. Sie drohte CDU-Chefin Merkel sogar mit Abbruch. Die Kanzlerin musste mehrfach Pausen einschieben, um die Gemüter bei der SPD zu beruhigen.

Von der dritten Sondierung Donnerstagnachmittag hängt es ab, ob Gabriel am Sonntag dem SPD-Konvent aus 200 Funktionären die Aufnahme echter Koalitionsverhandlungen vorschlagen wird. Was weiter als wahrscheinlich gilt. Obwohl die Stimmung dort als wenig konstruktiv erwartet wurde, denn die SPD-Basis will trotz ihrer schweren Niederlage weiter kaum Konzessionen machen. Auch wenn die einzig reale Alternative zur Verweigerung der SPD Neuwahlen wären, die Merkel eine absolute Mehrheit bescheren würden.

Der Kanzlerin scheint nicht einmal die 690.000 Euro-Großspende der BMW-Hauptaktionäre an die CDU zu schaden: Diese trudelte just in der Woche ein, als Merkel in Brüssel die Verschärfung der Autoabgaswerte zulasten der deutschen Industrie blockierte. Offenbar ahnen auch viele Wähler, dass die Autoindustrie zehn Prozent der deutschen Wirtschaftskraft schafft – und damit auch der Arbeitsplätze und Steuern.

Die deutsche Regierungspartei CDU sieht sich wegen drei Großspenden der Industriellenfamilie Quandt von 690.000 Euro dem Vorwurf der Lobby-Politik ausgesetzt. Die Familie, die fast 47 Prozent der Anteile am Autobauer BMW hält, stockte damit vergangene Woche die Parteikasse auf. Für Aufsehen sorgte das, weil Deutschland zugleich auf EU-Ebene strengere Abgasnormen für europäische Autos blockierte. Die deutschen Grünen und die Linkspartei sprachen daher am Dienstag von gekaufter Politik. Auch die SPD zeigte sich über die zeitliche Nähe empört.

Die CDU und die Autoindustrie

Nach Angaben des Bundestags spendeten Johanna Quandt ebenso wie ihre Kinder Susanne Klatten und Stefan Quandt der CDU am 09. Oktober jeweils 230.000 Euro. Darin enthalten seien auch je 60.000 Euro für die hessische CDU, sagte ein Sprecher der Familie. Die Entscheidung für die Spende sei bereits Anfang des Jahres getroffen worden. Demnach wurde das Geld erst im Oktober überwiesen, weil die Familie nicht in den Wahlkampf hineingezogen werden wollte. Die CDU verwies darauf, dass sie seit vielen Jahren von der Familie mit privaten Spenden unterstützt werde - unabhängig davon, ob die CDU an der Regierung beteiligt gewesen sei. "Die Spenden standen und stehen in keinerlei Zusammenhang mit einzelnen politischen Entscheidungen", hieß es aus der Parteizentrale. Alle Spenden würden dem Bundestag angezeigt.

Deutschland hatte am Montag beim Treffen der 28 EU-Umweltminister in Luxemburg eine Einigung auf strengere Abgasnormen für Pkw ab dem Jahr 2020 verhindert. Ein Kompromissvorschlag muss nun erneut geändert werden. Die deutsche Regierung will das Limit erst über einen größeren Zeitraum einführen, was vor allem den Oberklasse-Herstellern BMW, Daimler und Audi zugutekäme.

Gekaufte Klimapolitik

Der Ex-Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, schrieb auf Twitter, die Familien Quandt und Klatten hätten die Klimapolitik von Merkel gekauft.

SPD-Fraktionsvizechef Ulrich Kelber twitterte, die CDU bekomme ohne Scham 690.000 Euro "von Profiteuren des Merkel-Widerstands gegen Klimaschutz-Auflagen". Die stellvertretende Chefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, monierte, die Union sei ein Anwalt für die Autokonzerne und lasse sich diese Tätigkeit "vergolden". Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß monierte: "Der zeitliche Zusammenhang mit Merkels Eintreten für die Interessen der Autoindustrie ist Wasser auf die Mühlen aller Parteispenden-Kritiker." Jetzt sei es nicht mehr überraschend, dass die CDU in den Sondierungen weder "Superreiche" noch Profiteure großer Kapitalerträge angemessen zur Kasse bitten wolle.

Obergrenze für Parteispenden gefordert

Johanna Quandt, die Witwe des Industriellen Herbert Quandt, hält 16,7 Prozent der BMW-Anteile. Dem gemeinsamen Sohn Stefan Quandt, der Vizechef des BMW-Aufsichtsrats ist, gehören 17,4 Prozent, der Tochter Susanne Klatten 12,6 Prozent. Sie spendeten laut Auflistung des Bundestags auch im Oktober 2009 kurz nach der Wahl dreimal 150.000 Euro. Im September 2005 ließen sie der CDU kurz vor dem Wahltag je 120.000 Euro zukommen und vor der Wahl 2002 dreimal 180.000 Euro. In der Summe profitierte die CDU im laufenden Jahr von Großspenden im Umfang von 1,41 Millionen Euro. Insgesamt betrugen die Großspenden an die Parteien in den ersten zehn Monaten 2,14 Millionen.

Laut Parteiengesetz sind Einzelspenden, die 50.000 Euro übersteigen, dem Bundestagspräsidenten unverzüglich anzuzeigen und von diesem zu veröffentlichen. Zahlungen darunter werden erst mit Verzögerung in den Rechenschaftsberichten publik.

Die Organisation LobbyControl kritisierte die außergewöhnlich hohen Spenden einer Unternehmerfamilie, die vom Einsatz der Regierung für die Autoindustrie profitiere, und zeigten die Problematik hoher Parteispenden. Notwendig sei eine Grenze von 50.000 Euro pro Spender und Jahr.

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