Pegida zerfällt im Neonazi-Sog

Polarisieren Deutschland: „Pegida“, NPD und andere Gegner jeder Einwanderung in die Bundesrepublik,
Die Islam-Kritiker in Dresden verschwinden, die Polarisierung geht weiter.

Kein innenpolitisches Thema beschäftigte deutschen Medien und Politiker im Herbst so stark wie "Pegida", die Aufmärsche von Islam- und Einwanderungs-kritischen Bürgern vor allem in Ostdeutschland. Inzwischen ist davon fast nichts mehr übrig: Der Rest der lautstarken, aber diffusen Politik-Kritiker mit den Hauptparolen "Wir sind das Volk" und "Lügenpresse" rutscht ins rechtsextreme Milieu ab. Was bleibt, ist die Aufregung der Medien über jedes Thema, das damit zusammenhängt: Etwa der wegen eines drohenden NPD-Umzugs zurückgetretene Bürgermeister einer ostdeutschen Kleinstadt.

Die auch in Deutschland weitgehend unbekannte 2800-Einwohner-Gemeinde Tröglitz in Sachsen-Anhalt sollte auf Initiative ihres nebenberuflichen Bürgermeisters ein Heim für 50 Asylwerber bekommen. Es war ein Herzensanliegen von Markus Nierth, hauptberuflich evangelischer Pfarrer im Ort. Doch seine als Toleranzbeispiel deklarierte Gesellschaftspolitik polarisierte. Die NPD meldete einen "Lichterspaziergang" nach "Pegida"-Vorbild an. Und der sollte am Wohnhaus des Bürgermeister-Pfarrers enden.

Nierth fühlte sich dadurch so bedroht, dass er als Bürgermeister zurücktrat: Er hätte sonst seinen sieben "Kindern zumuten müssen, vor ihren Kinderzimmern bewaffnete Polizisten zu sehen und rassistische und hasserfüllte Parolen hören zu müssen". Nierth erhob schwere Vorwürfe gegen die Behörden, die "eine Demonstrationsroute bis vor sein Haus genehmigt" hätten und "nicht einmal einen Mindestschutz meiner Familie gewähren".

Ost-West-Gefälle

Spiegel-Online stürzte sich auf das Thema, doch laut dem öffentlich-rechtlichen Landessender MDR sind die Fakten differenzierter. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) fuhr gleich nach der Meldung vom Rücktritt und seiner Begründung im Auftrag seines Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) nach Tröglitz. Da stellte er fest, dass es nie eine Behörden-Genehmigung gegeben hatte: Nierth war schon beim Bekanntwerden des NPD-Plans zurückgetreten, die NPD hatte die Demo bald abgesagt, wann genau, ist weiter umstritten.

Klar ist nur, dass die größte Flüchtlingswelle, die Deutschland seit der Wiedervereinigung erlebt, in Ostdeutschland mehr Widerstand auslöst als im Westen. Den schüren Rechtsextreme, die in den ostdeutschen Bundesländern viel stärker sind. So wie das schon "Pegida" tat, die in Dresden entstandene Islam-kritische Bewegung: Sie versammelte am Höhepunkt 25.000 Leute in der 500.000- Einwohner-Hauptstadt Sachsens. Nicht mitgezählt die fast gleich vielen Gegendemonstranten und die 10.000 Polizisten, die sie auseinanderhielten.

Heute stehen den "Pegida"-Nachfolge-Demonstranten mit den zuletzt maximal 80 Personen in wenigen Städten oft zehn mal so viele Gegendemonstranten gegenüber. In Dresden ist ohnehin einmal Pause: Denn die "Pegida"-Erfinder sind zerstritten in den Teil, der lieber die CDU bedrängen will, und ihren alten, doch rechtsextremen Kern.

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