Kanzler Merz löste mit "Stadtbild"-Sager schweren Koalitionskrach aus

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Teile der Sozialdemokratie sehen Pauschalverurteilung von Migranten – und gingen gegen den Kanzler auf die Straße.

Der so genannte "Stadtbild"-Sager des deutschen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) – im Wesentlichen geht es um Probleme mit Asylwerbern – sorgt nun für einen weiteren handfesten Krach mit dem sozialdemokratischen  Koalitionspartner. Dabei ist das Bündnis nach unüberbrückbaren Differenzen in der Frage der Wehrpflicht, bei der Reform des Bürgergeldes sowie der Arbeitslosen-Unterstützung ohnehin schon schwer angeschlagen – wie auch Umfragen belegen.

Laut einer jüngsten Insa-Erhebung sind zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit der Arbeit der Regierung, jeder Zweite (49 Prozent) meint, dass Schwarz-Rot nicht bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält.

"Linker Empörungszirkus"

Das Zerwürfnis ging zuletzt so weit, dass Wiebke Esdar, immerhin stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, gegen den eigenen Koalitionspartner auf die Straße ging: Die 41-Jährige nahm in der Vorwoche in Bielefeld an einer Demo gegen den "Stadtbild“-Sager des Kanzlers teil. Und löste damit bei  CDU/CSU  massiven Unmut aus. "Opposition in der Regierung – das hat noch nie funktioniert", ließ Unionsfraktionssprecher Jens Spahn wissen. Er sprach von "linkem Empörungszirkus".

"Fragen Sie mal Ihre Töchter"

Rückblende: Am 14. Oktober hatte Friedrich Merz bei einem Pressegespräch von Problemen im "Stadtbild" gesprochen und massive Abschiebungen von Migranten in den Raum gestellt. Auf Nachfrage legte der 69-Jährige salopp nach: "Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort."

Der Aufschrei in Teilen der Linken, zumal auch in der SPD war und ist groß. Schwierigkeiten im "Stadtbild", schrieb eine Gruppe sozialdemokratischer Abgeordneter, seien auf soziale Missstände, Wohnungsnot oder fehlende Infrastruktur zurückzuführen. Wer die Debatte auf Asyl, Flucht und Migration verenge, verhindere Lösungen. Gefordert wird nun von der SPD ein klärende Treffen im Kanzleramt in Berlin.

Doch das lehnt die Union kategorisch ab: Merz "hat die Problemlage klar benannt, einer weitere Erörterung ist nicht nötig", sagte Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilder der Bildzeitung.

Parteifreund Jens Spahn wurde deutlicher: Es gebe "Straßenzüge und Stadtteile, wo Juden, Schwule, Frauen sich nicht hintrauen". Er wolle "Weihnachtsmärkte haben, die nicht wie Festungen aussehen müssen, viele Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sehen es genauso". Der Kanzler spreche bloß das aus, was die große Mehrheit der Deutschen denkt, sagte der CDU-Mann.

Germany's parliamentary groups hold meetings in Bundestag

Der Fraktionsvorsitzende der Union im Deutschen Bundestag: Jens Spahn (CDU)

Und eine jüngst veröffentlichte Umfrage im Auftrag des ZDF gibt ihm offenbar recht. Darin stimmten fast zwei Drittel (63 Prozent) der Aussage zu, dass es im Stadtbild Probleme mit denjenigen Migranten gebe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus  haben, nicht arbeiten und gegen Regeln verstoßen. Besonders ausgeprägt ist diese Sichtweise bei den 35- bis 59-Jährigen (70 Prozent), weniger bei den 18- bis 34-Jährigen (42 Prozent).

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Grünenchef  Felix Banaszak

"Angstträume"

Selbst die Grünen springen Merz in dieser Frage jetzt in Grenzen bei. Zwar verurteilte Parteivorsitzender Felix Banaszak das "Stammtisch-Gerede“, wie er die Formulierungen des Regierungschefs nannte, mahnte aber eine ehrliche Debatte über diese Thematik ein. Konkret: "Es gibt sie, die Angstträume in unserem Land“, schrieb der 36-Jährige in einem Beitrag für die Funkegruppe. Der Kanzler habe eine "breit getragene Wahrnehmung" angesprochen, "mit der sich progressive Kräfte beschäftigen müssen."

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