"Fragen Sie Ihre Töchter": Merz sorgt nach "Stadtbild"-Sager für neue Kontroverse

Protest against German Chancellor Merz in Berlin
Eigentlich wollte der deutsche Bundeskanzler seinen Kommentar zu Migration und dem dadurch veränderten "Stadtbild” verteidigen. In den sozialen Medien regt sich Unmut.

Friedrich Merz will nicht zurückrudern. "Fragen Sie mal ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte", sagte der deutsche Bundeskanzler (CDU) am Montag vor der Presse in Berlin. Ein Journalist hatte ihn auf seine umstrittene Bemerkung der Vorwoche angesprochen, wonach Migranten ein Problem im "Stadtbild" seien.

Der Kommentar - von vielen als diskriminierend und rassistisch bezeichnet - hatte für Empörung gesorgt. Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan sprach etwa von Tönen, "wie wir sie sonst von der AfD hören“, die SPD-Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik von "populistischen Schnellschüssen". 

Auch innerhalb der Kanzlerpartei gab es vereinzelt Kritik: Ex-Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hält den "Stadtbild"-Sager für zu "nebulös". Es gehe dabei nicht nur um Migration, sondern auch um deutsche Drogensüchtige, Antisemiten, die Hamas-Parolen riefen, oder Rechtsradikale auf der Straße.

"Habe gar nichts zurückzunehmen"

Mit seinem "Töchter"-Sager legte Merz aber noch einmal nach. Diese könnten eine "klare und deutliche" Antwort geben, was er gemeint habe, sagte er - ohne selbst näher darauf einzugehen. Nur: "Alle bestätigen, dass das ein Problem ist – spätestens mit Einbruch der Dunkelheit", führt er an. Und: "Ich habe gar nichts zurückzunehmen."

Die Reaktionen folgten prompt. Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek warf Merz vor, Frauen für "blanken Rassismus“ zu inszenieren. Frauen hätten nachts keine Angst vor Migranten, sondern "Angst vor Männern. Das Problem ist eine gewalttätige und grenzüberschreitende Männlichkeit."

Rückendeckung bekommt Reichinnek auf Social Media, wo viele Frauen - darunter Influencerinnen, Künstlerinnen, Aktivistinnen - unter dem Hashtag #Töchtergegenmerz ihrem Ärger Luft machen. Das neu gegründete Instagram-Profil "Töchter_gegen_Merz“, eine "feministische Plattform gegen Schweigen, Hass und Rassismus“, gewann binnen Stunden mehr als 18.000 Follower. 

In den dort gesammelten Beiträgen wird aufgelistet, was Frauen im Stadtbild tatsächlich stört. Etwa "Hundekacke auf den Spielplätzen und Rasenflächen" und, "dass es zu wenig schattiges Grün gibt", wie eine regionale Splittergruppe der "Omas gegen Rechts" anführt. Der Account "Fraeulein.oeko" listet unter anderem Müll, leerstehende Geschäfte, fehlende Grünflächen auf.

Eine Frau ärgert sich auch über das "alte, brüchige" Gymnasium vor ihrer Haustür. Eine Mutter, deren Tochter Down Syndrom hat, über mangelnde Inklusion an Schulen. Mehr als 100.000 Mal geliked wurde ein Tiktok-Video, in dem eine Mutter ihre kleine Tochter zu dem Thema befragt. Das Mädchen antwortet auf die Frage, was sie denn eigentlich am Stadtbild störe, dass die Autos "halt so kacke fahren". Sie wünscht sich, dass die Stadt ein bisschen bunter und fahrradfreundlicher wird. 

Sexuelle Gewalt in der Partnerschaft

Viele Frauen nutzen die Möglichkeit auch, um strukturelle Missstände anzuprangern: Frauenarmut, ungleich verteilte Care-Arbeit, mangende Kinderbetreuung oder die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen. In vielen Beiträgen werden Erfahrungen mit sexueller Belästigung geteilt - durch "vornehmlich alte weiße Männern im beruflichen Kontext" oder "deutsche weiße Männer auf der Straße", wie eine Frau in einem Video schildert. Andere erzählen von Gewalt in Familie und Partnerschaft – und eben nicht im öffentlichen Raum, wie Merz zuvor suggeriert hatte.

"Töchter" demonstrierten

Auch offline wird gegen Merz' Aussagen protestiert. Am Sonntag gingen in Berlin Menschen unter dem Motto "Brandmauer hoch! Wir sind das Stadtbild!" in auf die Straße. Am Dienstag folgte dann die "Feministische Kundgebung: Wir sind die Töchter“ mit nach Polizeiangaben rund 2.000 Menschen vor der CDU-Zentrale in Berlin. 

Mit dabei waren auch die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und frühere Grünen-Parteichefin Ricarda Lang.  Für Mittwoch ist in Kiel eine Demonstration angekündigt, die von Fridays for Future organisiert wird.

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