Freiwillig im Job bis 70

Rufe nach späterer Pension in Deutschland: Freiwillig arbeiten bis 70.
Länger arbeiten als eine Option in Deutschland – die Gewerkschaft ist dagegen.

Wer fit und darüber hinaus auch noch willig ist, soll länger arbeiten dürfen – möglicherweise bis zu einem Alter von 70 Jahren. Entsprechende Anreize mahnt der oberste Arbeitsmarktverwalter Deutschlands, Frank-Jürgen Weise, ein. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) plädiert für die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters nach oben. Arbeitnehmer sollten bis zum 70. Lebensjahr arbeiten können, wenn sie das wollten.

Auf Betreiben der SPD kann seit Mitte des Vorjahres jeder Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang seine Beiträge einigermaßen regelmäßig gezahlt hat, abschlagsfrei in Rente gehen, frühestens aber mit 63 Jahren. Für alle anderen gilt ein Rentenantrittsalter von 65 Jahren, auch für Frauen. Andernfalls werden empfindliche Abschläge über die ganze Pensionsdauer fällig.

Diese von der CDU und der Wirtschaft weitgehend kritisierte Frühverrentung hat sich rasant zum Schlager entwickelt: Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte bei der Gesetzesvorlage die Zahl der Anträge auf 100.000 geschätzt. Nach nur einem halben Jahr aber wurden bereits fast 200.000 Anträge registriert.

Die Frührentner belasten nicht nur die Rentenkasse mit einem unerwarteten Milliardenbetrag. Die berufserfahrenen Arbeitnehmer fehlen auch der Wirtschaft: 139 von 615 Berufsgruppen klagen schon über einen Fachkräftemangel, den die Frührentner noch verschärfen. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln werden bis 2020 sogar 1,3 Mio. Fachkräfte fehlen.

Flexibilität

Der bedrohlich wachsende Fachkräftemangel ist auch der Hauptgrund für Weises Vorschlag. "Nach dem erleichterten Frühausstieg aus dem Arbeitsleben sollte die Regierung nun auch Anreize dafür setzen, dass Arbeitnehmer bis 70 arbeiten können, wenn sie das wollen", forderte der BA-Chef in der Zeitung Die Welt. "Flexible Ausstiege aus dem Arbeitsleben sind grundsätzlich ein gutes Modell".

Das sehen die Gewerkschaften grundsätzlich anders: Der DGB sprach sich umgehend gegen jede Flexibilisierung nach oben aus und verlangte "stattdessen Renten, von denen man auch leben kann". Dabei kann der DGB weiter auf die Hilfe der SPD in der Koalition rechnen. Sie hatte schon dessen langjährige Forderung nach Frühverrentung in ihr Wahlprogramm übernommen. SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will nun "die Arbeitsmarktchancen für Frauen, Ungelernte und Menschen mit Behinderung verbessern".

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