Demos gegen Rechtsextreme: "Protest kann ein Startschuss gewesen sein"

Viele Menschen und ein Schild mit der Aufschrift "gegen rechts" vor dem Berliner Bundestag
Um der AfD dauerhaft entgegenzutreten, muss die Politik soziale Verteilungsfragen stärker thematisieren, sagt Experte Knopp.

Von Juri Wegner und Andreas Puschautz

Rund eine Million Menschen ging am vergangenen Wochenende nach Polizeiangaben in Deutschland auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Eine von ihnen ist die Berliner Schülerin Madita, die am Sonntag vor dem Bundestag demonstrierte. Ihr ging es vor allem darum, „Solidarität zu zeigen, besonders gegenüber Geflüchteten“, sagt sie.

Was ihr dabei auffiel: „Bei der Demo war wirklich die gesamte Bandbreite der Gesellschaft da, nicht nur die Antifa oder andere linke Organisationen. Das ging von jung bis alt.“ Auch Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Parteien schlossen sich den verschiedenen Demonstrationen an.

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Demonstrationen in allen Landesteilen

Für den Protestforscher Philipp Knopp von der Bertha von Suttner-Privatuniversität in St. Pölten war die vielfältige Beteiligung an den Protesten weniger überraschend als deren geografische Breite.

In kleinstädtischen AfD-Hochburgen im Osten wie Görlitz oder Pirna auf die Straße zu gehen, sei nicht so einfach wie in Hamburg oder München. „Denn dort bedeutet das, dass man gegen die Gesinnung von Bekannten auf die Straße geht – und man exponiert sich auch viel mehr“, sagt Knopp.

Gleichzeitig seien solche Massenproteste gerade an solchen Orten auch Momente der Selbstvergewisserung, dass man im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht alleine sei. 

Rechte Erzählungen nicht dauernd übernehmen

Denn auch wenn die Planung von Massendeportationen – selbst von Deutschen mit Migrationshintergrund – auf einem Geheimtreffen von AfD-Kadern mit Rechtsextremen der Auslöser war, richteten sich die Demonstrationen lange nicht nur gegen die Partei. Vielmehr ging es um ein Zeichen für eine bunte und offene Gesellschaft.

Darauf müsse man auch aufsetzen, soll der Protest nicht schnell wieder verpuffen, sagt Knopp. Um wirksam gegen den Aufstieg der extremen Rechten vorzugehen, müsse die übrige Politik zuerst aufhören, deren Framings, also Erzählungen und Sprachbilder, und in weiterer Folge deren Forderungen zu übernehmen – Punkte, die man auch in Österreich schon oft gehört hat.

Zudem müssten „Verteilungsfragen, also Fragen sozialer Ungerechtigkeit stärker von der Politik aufgenommen werden“, so Knopp: „Wir müssen an die sozialen Grundlagen ran.“

Ein neues Wir-Gefühl entstehen lassen

Dafür brauche es aber auch den Druck von der Straße – und um den aufrecht zu erhalten, brauche es konkretere Forderungen als gegen rechts zu sein. Werden solche Debatten in weiterer Folge verstetigt, „kann der Protest ein Startschuss gewesen sein, von dem aus ein neues kollektives Wir-Gefühl entsteht, das die Bewegungen dauerhaft macht“, so Knopp.

Das sei wiederum auch für diejenigen wichtig, die sich schon länger im Kampf gegen Rechtsextremismus engagieren. Denn der derzeitige Aufstieg der AfD erzeuge auch ein gewisses Ohnmachtsgefühl. 

Das erzählt auch Madita. Zwar sei die Stimmung auf der Demonstration angesichts des Anlasses zum Teil gedämpft und düster gewesen. „Aber gleichzeitig war sie sehr ermutigend und hat das Vertrauen in die Gesellschaft gestärkt“, erzählt sie.

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