Deutschland kürzt Geld für Ukrainer – was macht der Rest Europas?
Sie bedaure den Schritt, wird die deutsche SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas zitiert, "aber er ist im Koalitionsvertrag vereinbart, und das werden wir jetzt auch umsetzen." Die Rede ist vom Gesetzentwurf zum Bürgergeld-Stopp für alle ab dem 1. April 2025 eingereiste Ukrainer.
Der Entwurf sieht vor, dass ukrainischen Geflüchtete, die erst seit knapp acht Monaten in Deutschland sind, die gleiche Unterstützung wie andere Asylwerber bekommen, nämlich die Grundversorgung. Bisher erhielten sie Bürgergeld wie all jene, die in Deutschland leben, und keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Zuletzt hatten rund 700.000 Ukrainer Anspruch auf Bürgergeld, darunter rund 200.000 Kinder. Die Bild schreibt von rund 84.000 Personen, für die die neue Regelung gelten soll.
Für Alleinstehende bedeutet das 441 statt 563 Euro pro Monat, die medizinische Versorgung wird eingeschränkt. Fast noch bedeutender ist der Wegfall zusätzlicher Ansprüche – etwa auf Hilfe bei der Arbeitssuche, Sprachkurse oder Weiterbildungen. Das gefährde die Integration, so Kritiker wie die Grünen und die Arbeitsagentur, Ukrainer seien schneller in Arbeitsverhältnisse gelangt als Geflüchtete aus anderen Ländern. Fast 300.000 Ukrainer waren im Februar 2025 erwerbstätig, rund 1,2 Millionen sind seit Februar 2022 nach Deutschland geflüchtet.
Ukrainische Geflüchtete haben in Europa einen vorübergehenden Schutzstatus und damit Vorteile gegenüber anderen Geflüchteten, etwa einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Schutzstatus gilt derzeit bis zum 4. März 2027. Rund 4,4, Millionen geflüchtete Ukrainer sind in der EU gemeldet.
Söder will Bürgergeld-Stopp für alle Ukrainer
Es steht Aussage gegen Aussage: Denn die Union betont, dass das neue Gesetz, das auch strengere Vorgaben für arbeitsfähige Ukrainer vorsieht, die Menschen schneller in den Arbeitsmarkt bringe – wenn auch in Beschäftigungen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Ginge es nach dem bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, sollen alle Ukrainer vom Bürgergeld ausgenommen werden.
Nicht zum ersten Mal und nicht nur in Deutschland werden die Ukrainer wiederholt als Kostenfaktor diskutiert und zum politischen Spielball: In Polen wurden mit November die staatlich finanzierten Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge auf besonders schutzbedürftige wie Kinder, Pensionisten oder Menschen mit Behinderung eingeschränkt. Alle anderen müssen sich selbst um eine Unterkunft kümmern oder eine ortsübliche Miete bezahlen, sofern sie im staatlichen Aufnahmezentrum wohnen. In Polen leben rund 994.000 geflüchtete Ukrainer, die Beschäftigungsquote ist mit rund zwei Drittel eine der höchsten in ganz Europa. Kindergeld und Gesundheitsversorgung werden an eine Erwerbstätigkeit geknüpft.
CDU-Chef Markus Söder und Arbeitsministerin Bärbel Bas.
1.100 Euro in Belgien, 750 in Österreich
Die Hilfe europäischer Länder ist von den Lebenserhaltungskosten vor Ort abhängig: In Belgien wiederum erhalten arbeitslose Ukrainer rund 1.100 Euro monatlich, in Tschechien sind es 200 Euro pro Person; jedoch reduziert sich der Betrag, sofern die Person arbeiten kann, aber keinen Job hat, nach 150 Tagen auf 129 Euro. Dazu kommt Wohnbeihilfe.
In Ungarn haben Erwachsene Anspruch auf rund 60 Euro pro Monat; seit Sommer 2024 stuft Ministerpräsident Viktor Orbán die westlichen Teile der Ukraine allerdings als "sicher" ein – damit erhalten Menschen aus diesen Regionen keine kostenlose Unterkunft in ungarischen Flüchtlingsunterkünften mehr.
In Österreich fallen Ukrainer in die Grundversorgung, die je nach Bundesland unterschiedlich hoch ausfällt und maximal 750 Euro beträgt. Seit November bekommen nur mehr jene Ukrainer Familienbeihilfe (bis zu 200 Euro), die arbeiten oder beim AMS gemeldet sind. Ausgenommen sind jedoch nicht nur Minderjährige, Pensionisten und Menschen mit Behinderung, sondern auch Personen mit Betreuungspflichten – zwei Drittel der Geflüchteten in Österreich sind Frauen, viele haben Kinder und sind deswegen am Arbeitsmarkt nur begrenzt oder gar nicht einsetzbar. Diese Regelung gilt erstmal bis Ende Juni 2026.
Derzeit leben rund 85.000 geflüchtete Ukrainer in Österreich, die Beschäftigungsquote ist ähnlich hoch wie in Deutschland und liegt bei rund 30 Prozent. Rund 17.600 Personen sind in der Grundversorgung gemeldet. Die Lücke zwischen erwerbstätigen Ukrainern und jenen, die sich in der Grundversorgung befinden, erklärt sich wie in Deutschland dadurch, dass viele Geflüchtete auch von Ersparnissen leben.
Polen will durch seine Gesetzesänderung die Ausgaben von rund 2,2 Milliarden Euro für die Unterbringung der Ukrainer reduzieren. Ähnlich argumentiert die deutsche Regierung: Der Bund spare sich künftig 730 Millionen Euro. Ob das schlagend wird, ist fraglich: Durch den Verantwortungswechsel müssen Länder und Kommunen nun mehr ausgeben, gerechnet wird mit einem Mehraufwand von rund 860 Millionen Euro im nächsten Jahr.
Kommentare