„Bayern, die Pforte zum Paradies“

Bavarian State Premier and leader of the Christian Social Union (CSU) Horst Seehofer (R) toasts with beer during an election campaign rally at the traditional Gillamoos festival in Abensberg September 2, 2013. Bavarian election will be held on September 15 and German General election on September 22. REUTERS/Michael Dalder (GERMANY - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Eine Reportage aus dem Bierzelt, wo die kraftstrotzende CSU schon vorab feiert.

Schwerer Brathendlduft liegt in der Luft. Kellnerinnen schleppen literweise die Maß Bier durch die Reihen. Es herrscht hohe Lederhosen- und Dirndldichte im gut gefüllten Bierzelt des bayerischen Kurortes Bad Reichenhall. Weiter hinten, wo das Dröhnen der Volksmusik nicht mehr jedes Wort übertönt, haben Franz-Xaver Späth und seine Frau Magda Platz genommen und warten geduldig auf „ihren Seehofer“. Als der bayerische Ministerpräsident endlich mit Tusch und Tschinderassa ins Zelt marschiert, reißt es selbst das Pensionistenpaar von den Sitzen.

Der Saal kocht. Wer hierher ins Zelt kam, der hat seine Wahl für den Urnengang zum bayerischen Landtag am Sonntag längst getroffen. „Na, CSU, was glauben Sie denn?“, grinst Späth. Für den 72-jährigen früheren Ingenieur ist es schlicht denkunmöglich, dass man im Freistaat eine andere Partei als die Christlich-Soziale Union (CSU) wählen könnte.

Über 50 Jahre lang regiert sie in Bayern, zuletzt, nach einem schmachvollen Wählerschwund beim Urnengang 2008, erstmals in einer Koalition mit der FDP. Doch die Zeit des Niedergangs scheint vorbei zu sein. In Umfragen führen die Konservativen mit 46 Prozent. Das könnte ihnen möglicherweise sogar die schon für immer verloren geglaubte absolute Mandatsmehrheit zurückbringen.

„Früher“, schreit Späth über die Marschmusik hinweg, „da war’s einfach. Da hat der Pfarrer im Dorf fei g’sagt: Geht’s wählen – CSU natürlich. Jetzt ist das anders, aber das ist auch gut so.“

Laptop und Lederhose

Die 12,5 Millionen Bayern von heute brauchen keine kirchlichen Wahlhelfer mehr. Die Erfolgsstory des Freistaates sucht ihresgleichen: Höchstes Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland, niedrigste Arbeitslosigkeit, stolze Verbundenheit mit den ländlich-agrarischen Traditionen bei gleichzeitiger Blüte seiner modernsten Industriebetriebe. Laptop und Lederhose – das ist für viele Bayern kein Klischee, sondern ihr weiß-blaues Lebensprinzip. Angesichts dieser Wirtschaftserfolge, die von der CSU-Ära nicht zu trennen sind, tut sich die Opposition schwer, nach einem Wechsel zu rufen.Im Reichenhaller Festzelt braust Jubel auf, als Landesvater Horst Seehofer (64) in die Menge ruft: „Bayern stand noch nie so gut da wie jetzt.“ Und die Begeisterung kennt kein Halten mehr, als er mit einem ironischen Grinsen nachlegt: „Bayern ist vielleicht nicht das Paradies. Aber es ist die Pforte zum Paradies.“

Der hünenhafte Seehofer, seit fünf Jahren Ministerpräsident und CSU-Chef in Bayern – er ist der unangefochtene Meister in der Königsklasse des bayerischen Wahlkampfes – der Bierzeltrede. Stürmischen Applaus erntet er auch, als er wieder auf die „Pkw-Maut für Ausländer“ pocht – selbst wenn ihm dies im Zelt längst nicht alle glauben. „Damit kommt er doch nie im Leben durch. Da hat die Merkel schon nein gesagt“, ist sich ein Ehepaar aus dem Nachbardorf Piding sicher. Aber „Ausländermaut“, hin oder her, letztlich ist es den beiden egal. Ihre Stimme haben Seehofer und seine CSU trotzdem.

„Drehhofer“

Dass der Landeschef seine Standpunkte zuweilen über Bord wirft, wenn es opportun scheint, lobt seine Fangemeinde als „Pragmatismus“. Seine Gegner hingegen schmähen ihn als „Drehhofer“. Güldane Akdemir (53) sieht das ähnlich. Die in der Türkei geborene Bayerin, seit fünf Jahren für die SPD im Stadtrat von Bad Reichenhall, ärgert, dass „die CSU teilweise ihr Programm von uns abgeschrieben hat.“ Das Aus für Studiengebühren, Atomausstieg, Ganztagsschulen, Mindestlohn – all diese, seit Jahren von der bayerischen SPD propagierten Themen sind mittlerweile irgendwie auch Positionen von Seehofers CSU geworden.

Doch Akdemir bleibt zuversichtlich. Fast die Hälfte aller Wähler habe sich laut Umfragen kurz vor der Wahl noch nicht entschieden, schildert sie dem KURIER. Da sei für die SPD noch Einiges drin. „Wir werden dieses Mal besser abschneiden als bei der Wahl vor fünf Jahren.“

Damals hatte die im Freistaat traditionell schwache SPD nur 18,6 Prozent geholt. Seither aber spielt einer auf der Bühne der Landespolitik mit, vom dem die Sozialdemokraten ganz Deutschlands gehofft hatten, dass er der schwarzen Trutzburg endlich den Garaus machen würde: Christian Ude, legendärer Oberbürgermeister von München und lange der beliebteste Politiker ganz Bayerns.

Wahlkampf floppte

Doch der Wahlkampf des linken Hoffnungsträgers floppte. Was in München geschätzt wird, muss in den bayerischen Landen noch lang nicht funktionieren: Udes Wortwitz, seine Ironie, seine Intellektualität gehen in den Bierzelten ins Leere, auf der „Mir-san-Mir“-Klaviatur spielen andere besser.

Jo mei, der Ude“, sinniert Zeltgast Franz-Xaver-Späth, „kein schlechter Mann. Aber is halt a Sozi. Der Seehofer dagegen, des is einer von uns.“ Und das vergisst dieser auch an diesem Abend im Bierzelt nicht zu betonen. Es folgt die berühmte Geschichte vom kleinen Seehofer Horstl, Arbeiterkind aus Ingolstadt, der den Papa am Freitag immer von der Arbeit abholen musste. „Damit der Lohn nicht gleich im Wirtshaus verschwindet“, erzählt Seehofer, ein wenig gebeugt über dem Rednerpult – und die Menge klatscht gerührt.

Alles rund um die Bundestagswahl 2013 gibt es hier.

„Bayern, die Pforte zum Paradies“

Doris Aschenbrenner will für die SPD in den bayerischen Landtag einziehen. Die 27-jährige, quirlige Informatikerin arbeitet in einer Forschungseinrichtung nahe Würzburg und wurde im Vorjahr von SPD-Bayern-Spitzenkandidat Christian Ude als „netzpolitische Beraterin“ in sein Team geholt. Sie sollte auch die Antwort auf eine drohende Gefahr durch die „Piraten“-Partei sein: Aschenbrenner, die auch Mitglied im Chaos Computer Club ist (der größte Hacker-Vereinigung Europas), im Gespräch mit dem KURIER über

...… ihre Chancen, Abgeordnete zu werden Na, ich würde sagen, mit den Zweitstimmen liegen meine Chancen bei 50:50.

… über die in Bayern notorisch erfolglose SDP Ich bin sehr optimistisch, dass auch in Bayern ein Machtwechsel zu schaffen ist. Bei der letzten Umfrage haben wir drei Prozentpunkte zugelegt, also stehen wir jetzt bei 21 Prozent. Aber es gibt ja noch sehr viele unentschlossene Wähler – angeblich noch 46 Prozent. Keine Frage, die CSU hat sehr, sehr gute Umfragewerte. Aber es kann durchaus sein, dass sie die absolute Mehrheit nicht schaffen. Schon bei den letzten Wahlen 2008 haben sie sie verfehlt. Und wenn es dieses Mal genauso ist und die FDP nicht in den Landtag kommt, dann hätten wir, SPD, Grüne und Freie Wähler, eine Option

.… eine Koalition zwischen CSU und Bayern-SPD Das ist momentan nicht machbar. Es herrscht ein unglaublich harter Tonfall der Regierungspartei gegenüber der Opposition. Solange die CSU diese Arroganz nicht ablegt, wird keine Koalition möglich sein

.…den Vorwurf an Ministerpräsident Seehofer, ein politischer Wendehals zu sein Nicht umsonst wird er von seinen Gegnern als „Drehhofer“ verunglimpft. Es kommt schon mal vor, dass der Ministerpräsident innerhalb von zwei Wochen seine Position wechselt. Zum Beispiel: Studiengebühren. Wir haben für ein Volksbegehren gekämpft, und tatsächlich hat es heuer im Februar geklappt: Die Bevölkerung hat mehrheitlich für die Abschaffung der Studiengebühren gestimmt. Erst nach der Abstimmung hat die CSU dann plötzlich so getan, als hätten sie die Gebühren sowieso abschaffen wollen. Aber wir und alle, die für dieses Ziel gekämpft haben, wissen, wer sich dafür eingesetzt hat und wer sich dann im Nachhinein draufgesetzt hat.

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