Deniz Yücel: "Werde als Geisel gehalten"

Journalist Yücel wendet sich schriftlich an die Öffentlichkeit. Deutscher Außenminister Gabriel knüpft Rüstungsexporte an Türkei an Lösung im Fall Yücel.

Der seit mehr als zehn Monaten ohne Anklage in der Türkei inhaftierte "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel hat sich selber als "Geisel" bezeichnet. In einer schriftlichen Erklärung aus dem Gefängnis in Silivri, die seine Anwälte der Nachrichtenagentur dpa zukommen ließen, reagierte Yücel auf Aussagen des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu.

Cavusoglu hatte in einem Interview zum Fall Yücel gesagt, er sei "nicht sehr glücklich darüber, dass es noch immer keine Anklage gibt". Yücel selbst teilte in seiner in einem ironischen Ton gehaltenen Replik mit: "Das hat mich sehr bekümmert. Schließlich möchte ich nicht, dass er meinetwegen unglücklich ist. Aber ich kann ihn trösten: Wenn ich mich daran gewöhnt habe, seit fast einem Jahr ohne Anklage als Geisel gehalten zu werden, dann schafft er das auch."

Yücel: Kenne Ermittlungsakten nicht

Zur Aussage Cavusoglus, die Vorwürfe gegen ihn seien "sehr ernst", meinte Yücel, es sei beruhigend, dass "wenigstens die türkische Regierung den genauen Durchblick" habe. "Schließlich unterliegen die Ermittlungsakten weiterhin der Geheimhaltung, sodass meine Anwälte und ich immer noch nicht wissen, woran wir sind." Die Untersuchungshaft für Yücel hatte ein Gericht im Februar mit Vorwürfen der Terrorpropaganda und Volksverhetzung begründet.

Cavusoglu hatte zudem gesagt, Yücel sei "seit 2015 nicht in der Türkei als Journalist akkreditiert" gewesen und daher auch nicht wegen Journalismus inhaftiert worden. Der Korrespondent verwies darauf, dass er Cavusoglu im November 2016 in Ankara bei einer Pressekonferenz mit dessen damaligen Amtskollegen und heutigen deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier persönlich gesehen habe.

Krise mit Deutschland

Yücel äußerte sich außerdem zu einem neuen Notstandsdekret, wonach männliche Putsch- oder Terrorverdächtige künftig in braunen beziehungsweisen grauen Overalls vor Gericht erscheinen müssen. Der Korrespondent machte deutlich, dass er solche Einheitskleidung nicht tragen werde. "Jungs, eure Uniform passt mir nicht. Niemals."

Cavusoglu wird am Samstag zu einem Besuch beim deutschen Außenminister Sigmar Gabriel in dessen Heimatort Goslar erwartet. Vor dem Besuch hatte der türkische Minister deutlich gemacht, dass Ankara die Krise mit Deutschland überwinden möchte. Aus Sicht der deutschen Regierung ist eine Normalisierung der Beziehungen allerdings ausgeschlossen, solange Yücel ohne Anklage in Untersuchungshaft sitzt.

Gabriel knüpft Rüstungsexporte an Lösung im Fall Yücel

Gabriel sagte unterdessen, die Genehmigung von Rüstungsexporten in die Türkei sei an eine Lösung im Fall inhaftierten Yücel geknüpft. Die Türkei sei zwar ein NATO-Partner, für den bei der Ausfuhr von Militärgütern keine so strikten Beschränkungen wie beim Export in den Nahen Osten gälten, sagte der Minister dem "Spiegel".

"Trotzdem hat die Bundesregierung eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten nicht genehmigt", fügte der SPD-Politiker hinzu: "Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist." Gabriel verteidigte zugleich sein geplantes Treffen in Goslar mit Cavusoglu. "Wenn wir nicht miteinander reden, wird die Lage gewiss nicht besser", sagte er. "Weder zwischen unseren Ländern noch für einzelne in Haft befindliche Personen."

Seit seinem Besuch bei Cavusoglu vor einigen Wochen habe sich viel getan. Eine ganze Reihe Deutscher sei nach Entscheidungen der türkischen Justiz aus der Haft entlassen worden oder habe die Türkei verlassen dürfen. Im Fall Yücels sei immerhin dessen Einzelhaft beendet worden. "Auch hier hat die türkische Justiz auf unsere Bitten hin reagiert."

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