In Wien finden Londons Reformpläne kaum Gehör

Freundliches Lächeln, harte Fronten: Camerons Pläne für eine EU-Reform kommen bei Faymann nicht gut an
Mit dickem Paket britischer Forderungen an die EU schaute bei Kanzler und Vizekanzler vorbei.

Die Umfragen sitzen ihm im Nacken. Großbritanniens Premier David Cameron sieht sich zu Hause erstmals einer Mehrheit für den EU-Austritt gegenüber. Der Terror in Paris hat die Abneigung seiner ohnehin skeptischen Landsleute gegenüber Brüssel weiter verstärkt. In der jüngsten Umfrage der pro-europäischen Tageszeitung The Independent sind 52 Prozent für den sogenannten "Brexit", nur noch 48 für den Verbleib in der Union. Spätestens 2017, so hat es Cameron versprochen, stimmt Großbritannien über seine EU-Mitgliedschaft ab. In London rechnet man mit einem Referendum noch vor dem Sommer 2016. Der Wahlkampf zwischen EU-Gegnern und Befürwortern ist voll im Gang.

Für den konservativen Regierungschef eine unkomfortable Position, hat er sich doch klar für die Mitgliedschaft ausgesprochen, allerdings nur in einer reformierten EU.

Vor knapp drei Wochen hat Cameron die britischen Forderungen endgültig auf den Punkt gebracht. In einem offenen Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk sind vier Bereiche ausgeführt, in denen Änderungen verlangt werden. So will man Zuwanderern aus anderen EU-Ländern mehrere Jahre lang Sozialhilfe vorenthalten. Entscheidungen der Eurozone dürfen Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien auf keinen Fall betreffen. Vor allem aber will man sich von dem in den EU-Verträgen verbrieften Ziel einer "immer engeren Union" verabschieden. Manchmal löse man Probleme "mit weniger EU und nicht mit immer mehr", erklärt Cameron beharrlich.

Eine Grundhaltung, mit der man in Wien nicht viel anfangen kann, setzt man doch auf gemeinsame Initiativen, etwa in der Flüchtlingskrise oder bei den Hilfspaketen für Griechenland. Vor allem aber will man keinen EU-Partner, der sich vor unangenehmen Pflichten oder strengeren Kontrollen, etwa für die Finanzwirtschaft, drückt. "Eine Gemeinschaft der Rosinenpicker ist nicht zielführend", machte Kanzler Faymann vor dem Treffen deutlich.

Etwas mehr Kompromissbereitschaft signalisiert der Vizekanzler. "Wir müssen sicherstellen, dass Großbritannien in der EU bleibt", betont Mitterlehner: "aus wirtschaftlichen, aber auch aus weltpolitischen Gründen". Auch Londons Anliegen, Sozialtourismus aus ärmeren EU-Staaten zu stoppen, kann man in der ÖVP durchaus etwas abgewinnen. Wie man das aber mit den Grundfreiheiten der EU – also auch der Niederlassungsfreiheit – in Einklang bringen könne, werde wohl "ein schwieriger Balanceakt".

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