Das Cleveland-Trump-Orchester

Donald Trump und Mike Pence sollen die Republikaner ins Weiße Haus bringen
Heute startet die Convention der Republikaner zur Nominierung von Donald Trump als Präsidentschaftskandidat.

Cleveland ist eine 400.000-Einwohner-Stadt am Südufer des Eriesees im US-Bundesstaat Ohio. Eine Mischung aus Wolkenkratzern und Backsteinbauten prägt das Stadtbild in Downtown. Das Zentrum wurde renoviert und herausgeputzt, manche Clevelander behaupten, extra für die heute anbrechende Woche. Denn da werden Kamerabilder von Cleveland rund um die Welt gehen: Die Republikaner halten von heute bis Donnerstag ihre Convention ab, auf der sie Donald Trump offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten küren werden.

Die Convention – eine große Delegiertenversammlung – soll nach den innerparteilichen Vorwahlen dazu dienen, entstandene Gräben zuzuschütten und geeint in den Wahlkampf gegen die Konkurrenzpartei zu ziehen. Die Demokraten halten ihre Convention kommende Woche ab. Die Präsidentschaftswahl findet im November statt.

Misstöne

Bei den Republikanern ist die Einigung der Partei diesmal alles andere als einfach. Der Immobilienmagnat Donald Trump hat – zum Entsetzen in Teilen des Partei-Establishments – die Vorwahlen gewonnen. Viele genieren sich für seine populistischen Sprüche, seine derbe Ausdrucksweise und seinen Machismo. Mit Beratern und Redenschreibern wird versucht, Trumps Auftritte auf "präsidenziell" zu stylen. Der Erfolg war bisher eher bescheiden.

Der Kandidat für den Vizepräsidenten, Mike Pence, soll Trump mit dem konservativen Flügel der Partei versöhnen. Angeblich hat Trump Pence nur widerwillig akzeptiert, jedenfalls präsentierte er Pence am Samstag in New York auf höchst schnoddrige Weise. Es wirkte wie eine ungeliebte Pflichterfüllung.

Schließlich versuchte eine innerparteiliche Plattform Leitlinien für die republikanische Politik der kommenden vier Jahre zu formulieren, die auf der Convention abgesegnet werden sollen. Auch da galt es, Misstöne zwischen Trump und Partei abzugleichen. Das Ergebnis bleibt jedoch atonal – wie ein klassisches Orchester, in dem ein Trompeter ständig laut dazwischenbläst.

Trumps Ankündigung, zwischen Mexiko und den USA eine Mauer zu bauen und die Rechnung an Mexiko zu schicken, wird laut letztem Entwurf abgeändert. Die Rede ist nun von einem Zaun, die Rechnung an Mexiko ist verschwunden.

Aus dem von Trump geforderten Einreiseverbot für Muslime wurde eine "strengere Kontrolle" von Muslimen und ein partielles Einreiseverbot aus "Staaten mit Terrorverbindung".

Beim Freihandel sei Bedacht zu nehmen, amerikanische Arbeitsplätze nicht zu gefährden, aber einen Stopp für das Pazifik-Abkommen oder gar die Auflösung der NAFTA will die Grand Old Party dann doch nicht.

Bis zum Beschluss können diese Leitlinien noch geändert werden.

Demos erwartet

Nicht nur die Partei, auch die Stadt Cleveland hat sich auf die Convention vorbereitet. Das Kongresszentrum ist in Amerika-Flaggen gehüllt, in den Schaufenstern prangen T-Shirts mit dem Parteilogo der Republikaner, dem Elefanten. In den Straßen rund um das Kongresszentrum sind Fernseh-Teams zu sehen, TV-Journalisten und Kameraleute suchen nach den besten Plätzen für ihre "Aufsager". Fotografen streifen durch die Stadt, um Cleveland-Atmosphäre einzufangen. Die Clevelander selbst haben sich auf Demonstrationen eingestellt, 3000 zusätzliche Polizisten von auswärts sollen helfen, die Stadt zu sichern, ohne die Demonstrationsfreiheit einzuschränken. Weidlich genutzt wird diese von radikalen Abtreibungsgegnern, die seit Tagen Passanten anagitieren.

Mike Pence hält mit seiner Ideologie nicht hinter dem Berg. "Ich bin Christ, konservativ und Republikaner – in dieser Reihenfolge", sagt Pence über sich selbst, als er in New York von Donald Trump als "Running Mate" präsentiert wird.

Der 57-jährige Gouverneur von Indiana soll Vizepräsident werden, falls die Republikaner im November die Mehrheit der Wahlmänner erreichen.

Im Gegensatz zu Trump ist Pence geräuschlos – ein unbeschriebenes Blatt ist er dennoch nicht. Er bezweifelt den wissenschaftlichen Beweis für den Klimawandel. In einem TV-Interview weigerte er sich auszusprechen, dass es eine Evolution gebe: Gott habe die Welt erschaffen, und welche Werkzeuge er dazu benutzte, darauf wolle er sich nicht einlassen.

Die strikte Ablehnung von Abtreibung und Homosexuellen-Ehe gehört sowieso zur DNA seiner Partei. Auch die ultrarechte Tea-Party-Bewegung fand in Pence einen Fan.

Seit 2013 regiert der ehemalige Radiomoderator den Bundesstaat Indiana im mittleren Westen. Der KURIER begab sich an Pence’ politische Basis ins konservative Hamilton County auf ideologische Spurensuche.

Das konservative Vorzeigeprojekt im County ist Fishers, ein Ort, der vor zwanzig Jahren auf der Landkarte noch kaum zu finden war. Seit 1992 ist Fishers von 6000 auf beinahe 100.000 Einwohner angewachsen. Es ist eine Stadt wie aus dem Bilderbuch: Neu errichtete Mittelstandshäuser, großzügig in eine weitläufige Parklandschaft gestreut. Perfekt gepflegter Rasen, Blumen in den Vorgärten, neue Klasse-Wagen vor den Garagentoren. Der nahe Supermarkt führt Bio-Waren, mit Preisen weit über dem österreichischen Niveau. Schulcampus, Fitnesscenter und Ärztezentrum runden das Bild wohligen Wohlstands ab.

Man hat den Eindruck, auf einem anderen Planeten zu sein, denn nur wenige Kilometer entfernt sind heruntergekommene Gegenden mit hoher Kriminalität zu finden. "Kriminalität? Die gibt es bei uns in Fishers nicht. Wir haben ein ausgezeichnetes Police-Department, das unsere Stadt schützt", sagt John Weingardt, Lokalpolitiker und administrativer Leiter von Fishers. "Die Leute ziehen hierher, weil es bei uns sicher ist, und wir gute Schulen haben. Hier können Familien ihre Kinder großziehen."

Wenigverdiener, Arbeitslose oder Leute, die irgendwie aus dem perfekten Rahmen fallen, gibt es in Fishers nicht. "Bewohner von Fishers wehren sich gegen öffentliche Verkehrsmittel, damit vom benachbarten Indianapolis ja niemand rüberkommt", erzählt eine Frau, die das Verhalten ihrer Nachbarn missbilligt.

Obamacare, die öffentliche Gesundheitsversorgung, wird hier rundweg abgelehnt. Weingardt glaubt sogar, dass ein Teil des Zulaufs zu Donald Trump auf Obamacare zurückzuführen sei: "Die Leute sind es leid, dass ihnen die Regierung ständig sagt, was für sie das Beste ist." Die Regierung achte außerdem nicht darauf, was das kostet. Weingardt: "Die Regierung schafft immer mehr Bürokraten, die einem sagen, was man zu tun hat – zulasten der Steuerzahler."

Zu Fishers’ konservativer Idylle gehört selbstverständlich eine Kirche. Sie ist nagelneu und erfreut sich großen Zulaufs. Pastor Luther Brunette vertritt eine klare Ideologie. Ein staatliches Gesundheitssystem ist für ihn nicht bibelkonform. "Martin Luther predigte Eigenverantwortung. Obama aber hat den Leuten eingeredet, dass ihnen etwas zusteht, was anderen gehört." Doch in der Bibel stehe nicht, nehmen sei seliger denn geben, sondern geben sei seliger denn nehmen. Wer hat, der solle geben – aber freiwillig, nicht durch staatlichen Zwang. "Diese Umverteilung ist Kommunismus", doziert der Pastor.

Die Schuld an der zunehmenden Gewalt (in den USA sind mehr als 300 Millionen Schusswaffen im Umlauf) gibt der Kirchenmann Obama, und nicht der Waffenlobby. Des Pastors befremdliche, aber in den USA verbreitete Argumentation: "Wenn jemandem, der keinen Fernseher hat, gesagt wird, es stünde ihm einer zu, dann nimmt der eine Waffe und holt sich den Fernseher. Als Reaktion fürchten sich nun die, die einen Fernseher haben und bewaffnen sich auch."

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