"Gesundheitssystem widerspricht der Bibel"

Pastor Luther Brunette impft den Gläubigen Ideologie ein
Trump holt einen Erzkonservativen als Vizepräsidenten. Der KURIER hörte sich an dessen politischer Basis um.

Mike Pence hält mit seiner Ideologie nicht hinter dem Berg. "Ich bin Christ, konservativ und Republikaner – in dieser Reihenfolge", sagt Pence über sich selbst, als er in New York von Donald Trump als "Running Mate" präsentiert wird.

Der 57-jährige Gouverneur von Indiana soll Vizepräsident werden, falls die Republikaner im November die Mehrheit der Wahlmänner erreichen.

Im Gegensatz zu Trump ist Pence geräuschlos – ein unbeschriebenes Blatt ist er dennoch nicht. Er bezweifelt den wissenschaftlichen Beweis für den Klimawandel. In einem TV-Interview weigerte er sich auszusprechen, dass es eine Evolution gebe: Gott habe die Welt erschaffen, und welche Werkzeuge er dazu benutzte, darauf wolle er sich nicht einlassen.

Die strikte Ablehnung von Abtreibung und Homosexuellen-Ehe gehört sowieso zur DNA seiner Partei. Auch die ultrarechte Tea-Party-Bewegung fand in Pence einen Fan.

Seit 2013 regiert der ehemalige Radiomoderator den Bundesstaat Indiana im mittleren Westen. Der KURIER begab sich an Pence’ politische Basis ins konservative Hamilton County auf ideologische Spurensuche.

Das konservative Vorzeigeprojekt im County ist Fishers, ein Ort, der vor zwanzig Jahren auf der Landkarte noch kaum zu finden war. Seit 1992 ist Fishers von 6000 auf beinahe 100.000 Einwohner angewachsen. Es ist eine Stadt wie aus dem Bilderbuch: Neu errichtete Mittelstandshäuser, großzügig in eine weitläufige Parklandschaft gestreut. Perfekt gepflegter Rasen, Blumen in den Vorgärten, neue Klasse-Wagen vor den Garagentoren. Der nahe Supermarkt führt Bio-Waren, mit Preisen weit über dem österreichischen Niveau. Schulcampus, Fitnesscenter und Ärztezentrum runden das Bild wohligen Wohlstands ab.

Man hat den Eindruck, auf einem anderen Planeten zu sein, denn nur wenige Kilometer entfernt sind heruntergekommene Gegenden mit hoher Kriminalität zu finden. "Kriminalität? Die gibt es bei uns in Fishers nicht. Wir haben ein ausgezeichnetes Police-Department, das unsere Stadt schützt", sagt John Weingardt, Lokalpolitiker und administrativer Leiter von Fishers. "Die Leute ziehen hierher, weil es bei uns sicher ist, und wir gute Schulen haben. Hier können Familien ihre Kinder großziehen."

Wenigverdiener, Arbeitslose oder Leute, die irgendwie aus dem perfekten Rahmen fallen, gibt es in Fishers nicht. "Bewohner von Fishers wehren sich gegen öffentliche Verkehrsmittel, damit vom benachbarten Indianapolis ja niemand rüberkommt", erzählt eine Frau, die das Verhalten ihrer Nachbarn missbilligt.

Obamacare, die öffentliche Gesundheitsversorgung, wird hier rundweg abgelehnt. Weingardt glaubt sogar, dass ein Teil des Zulaufs zu Donald Trump auf Obamacare zurückzuführen sei: "Die Leute sind es leid, dass ihnen die Regierung ständig sagt, was für sie das Beste ist." Die Regierung achte außerdem nicht darauf, was das kostet. Weingardt: "Die Regierung schafft immer mehr Bürokraten, die einem sagen, was man zu tun hat – zulasten der Steuerzahler."

Zu Fishers’ konservativer Idylle gehört selbstverständlich eine Kirche. Sie ist nagelneu und erfreut sich großen Zulaufs. Pastor Luther Brunette vertritt eine klare Ideologie. Ein staatliches Gesundheitssystem ist für ihn nicht bibelkonform. "Martin Luther predigte Eigenverantwortung. Obama aber hat den Leuten eingeredet, dass ihnen etwas zusteht, was anderen gehört." Doch in der Bibel stehe nicht, nehmen sei seliger denn geben, sondern geben sei seliger denn nehmen. Wer hat, der solle geben – aber freiwillig, nicht durch staatlichen Zwang. "Diese Umverteilung ist Kommunismus", doziert der Pastor.

Die Schuld an der zunehmenden Gewalt (in den USA sind mehr als 300 Millionen Schusswaffen im Umlauf) gibt der Kirchenmann Obama, und nicht der Waffenlobby. Des Pastors befremdliche, aber in den USA verbreitete Argumentation: "Wenn jemandem, der keinen Fernseher hat, gesagt wird, es stünde ihm einer zu, dann nimmt der eine Waffe und holt sich den Fernseher. Als Reaktion fürchten sich nun die, die einen Fernseher haben und bewaffnen sich auch."

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