Deutsche Autobahn: Wo das Blech des Stärkeren herrscht

Deutsche Autobahn: Wo das Blech des Stärkeren herrscht
In Europas einzigem Land ohne Tempolimit wird das Schnellfahren zur "letzten Freiheit" verklärt. Die Geschichte einer sehr deutschen Debatte.

Petra Pieper steigt aus ihrem Porsche Cayenne und schickt ihren Mann zum Tanken. Es weht ein heftiger Wind in Süddeutschland. Die zierliche Frau zündet sich mit etwas Mühe eine Zigarette an und lehnt sich an ihren SUV. Und weil ihre Jacke und ihre Haare so schwarz wie der Autolack sind, wirkt Frau Pieper ein wenig so, als sei mit ihrem Porsche Cayenne verschmolzen.

Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen? „Das Verbot fehlt uns ja noch“, sagt Pieper und zieht die Augenbrauen hoch. Wie schnell sie selbst fährt? „Wenn ich gute Sicht und leere Straßen habe, bis zum Limit des Autos. 240 km/h.“ Dann kommt ihr Mann vom Tanken zurück, und Frau Pieper witzelt: „Wir fahren ja einen Diesel. Mein Mann ist schon so eingeschüchtert, er traut sich nicht mal mehr, Diesel-Jeans zu tragen.“

Wir sind an der Raststation Köschinger Forst an der A9 zwischen Ingolstadt und Nürnberg – eine der schnellsten Autobahnstrecken Deutschlands. Der Navi-Hersteller TomTom hat hier 2019 die Durchschnittsgeschwindigkeit untersucht. Sie lag bei 160 km/h. Drei Spuren, kaum Kurven, natürlich kein Tempolimit.

Tempo-Front bröckelt

Auf 70 Prozent der deutschen Autobahnen darf man immer noch so schnell fahren, wie man will. Damit ist die Bundesrepublik der letzte westliche Staat ohne generelles Tempolimit. Im Land der großen Autobauer VW, Mercedes, Audi, BMW und Opel gehört das freie Beschleunigen für viele zum bürgerlichen Selbstverständnis. Doch es gibt in Deutschland auch vehemente Befürworter einer Tempobeschränkung, diese sei sicherer und ökologischer. Diese Fürsprecher wollen sich am Vorbild Österreichs (130 km/h) oder der Schweiz (120 km/h) orientieren. Nur das Modell Holland dürfte es in Deutschland auf keinen Fall werden, dort wird ab März nur noch Tempo 100 gefahren.

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