Dalai-Lama-Schwester: "Die Zeit läuft langsam ab"

Jetsun Pema, die Schwester des Dalai Lama, auf Besuch in Wien.
Jestun Pema im KURIER-Gespräch über ihr Leben und die Zukunft Tibets.

Ruhig und bescheiden tritt sie auf, und wie ihr großer Bruder, der Dalai Lama, lacht sie auch gern. So erzählt Jetsun Pema, dass weder ihr Tibetisch noch ihr buddhistisches Wissen besonders profund sei. "Ich bin mehr eine Frau der Tat, kein akademischer Typ. Früher hab ich immer gesagt, ich werde morgen lernen. Heute sage ich, das mache ich in meinem nächsten Leben", lacht die 73-Jährige. "Ich bin eher auf Kindergarten-Niveau", habe sie doch fast ihr ganzes Leben den Kindern gewidmet.

Jetsun Pema stellt wohl nicht nur im KURIER-Gespräch ihr Licht unter den Scheffel. Sie hat in der Schweiz und in England studiert, war die erste Frau in Tibets Exil-Regierung und baute die tibetischen Kinderdörfer nach dem frühen Tod ihrer Schwester Tsering Dolma Takla auf. Denn ihr Bruder, von dem sie nur als "Seine Heiligkeit" spricht, hat ihr das Wichtigste überhaupt anvertraut: die tibetischen Kinder im indischen Exil. "Seine Heiligkeit hat den Kindern immer die größte Bedeutung eingeräumt. Denn sie sind unsere Zukunft."

Und daher bat der Dalai Lama seine damals 23-jährige Schwester, Präsidentin der tibetischen Kinderdörfer (TCV) in Indien zu werden. Übrigens waren alle Geschwister des Dalai Lama in verantwortungsvollen Positionen. "Als Geschwister Seiner Heiligkeit bringen uns die Tibeter so viel Respekt und Liebe entgegen, dass wir uns auch ihnen gegenüber verpflichtet fühlen", erklärt Jetsun Pema. Die dreifache Mutter schenkte 42 Jahre lang an der Spitze des TCV den jungen Exilanten all ihre Kraft. 700 bis tausend Kinder kamen früher über das Himalaya-Gebirge nach Indien. "Jedes Jahr also gleich eine ganze neue Schule voll", lächelt Jetsun Pema, wird aber gleich ernst: "Heute sind es vielleicht noch 70, die es trotz der strengen chinesischen Grenzkontrollen zu uns schaffen."

"Angesehene Mutter"

Die Tibeter nennen die engagierte Frau "ama la" – angesehene Mutter: 49.000 Kinder, die wegen der chinesischen Besatzung Tibets meist ohne ihre Eltern über das Himalaya-Gebirge nach Indien flüchteten, gab "ama la" im Exil eine Ersatzfamilie – nach dem Vorbild der SOS-Kinderdörfer des Tirolers Hermann Gmeiner. Er war auch der Grund, warum sie das erste Mal 1964 nach Innsbruck gekommen war, seither "war ich relativ oft in Österreich, wo uns so viel Sympathie entgegen gebracht wird." Dafür und für die Hunderten Patenschaften von Österreichern für junge Tibeter "will ich mich bedanken. Bitte hört nicht damit auf."

Unter Jetsun Pemas Führung entstanden gut ein Dutzend Kinderdörfer, daran angeschlossene Schulen, Tagesbetreuungsstätten, Jugendherbergen und Sprachtrainingszentren. "Besonders stolz bin ich, dass wir jetzt vom Kindergarten bis zum College unseren Kindern alle Bildungsstufen in unserer Sprache in Indien anbieten können. Und ich hoffe, dass aus dem College in Bangalore bald eine Universität wird", lächelt die zierliche Frau.

Alle ihre Schützlinge sollten nicht nur Liebe und Zuwendung erfahren, sondern auch in ihrer Kultur, Religion und Sprache tief verwurzelt werden. "Und das ist uns gelungen, das ist eine Erfolgsgeschichte." Eine sehr wichtige.

Denn in Tibet selbst verdrängten die Han-Chinesen, mittlerweile alles Tibetische. "In Lhasa kommen auf einen Tibeter schon fünf Chinesen." Wie dramatisch die Lage dort sei, bewiesen die Selbstanzündungen von Tibetern. 131 Tibeter, alle schon unter chinesischer Besatzung geboren, griffen bereits zu diesem letzten Akt der Verzweiflung – "Selbstmord ist uns Buddhisten verboten", betont Jetsun Pema. Das spreche für sich.

Macht des Geldes

Aber wird sich dadurch was ändern? "Was soll es ändern?", fragt die 73-Jährige traurig zurück. "China ist so mächtig. Zum einen allein schon durch ihre große Zahl, zum anderen durch ihre Wirtschaftsmacht. Die Macht des Geldes ist das Wichtigste in unserer Welt heute. Gerade jetzt in Zeiten der Rezession", sagt sie und senkt den Kopf: "Das ist sehr schlecht für uns. Wir haben keine finanzielle Macht und wir wollen keine Gewalt. Aber wir geben nicht auf. Das ist auch der Leitspruch Seiner Heiligkeit: Gib nie auf. Und egal, was China macht: Du kannst den menschlichen Geist nicht töten." Dabei verlangten die Tibeter ja gar keinen unabhängigen Staat, nur die Ausübung ihrer Kultur, Sprache und Religion. "Wenn das nicht in sehr naher Zukunft passiert, dann werden wir in der stetig wachsenden Masse der Chinesen in Tibet untergehen. Die Zeit für uns läuft langsam ab."

Save Tibet Österreich feiert an diesem Samstag sein 20-jähriges Bestehen und lädt gemeinsam mit Jetsun Pema um 10 Uhr zum Fest ins Don-Bosco-Haus. Das Fest wird mit Gebeten und Ritualen tibetischer Mönche eröffnet. Ab 19 Uhr singt die "Nachtigall von Tibet", die tibetische Sängerin Namgyal Lham. Ihr Gesang begleitet den Hollywood-Film "Sieben Jahre in Tibet", in dem Brad Pitt den Österreicher und Dalai-Lama-Freund Heinrich Harrer spielt. Jetsun Pema übernahm in diesem Film übrigens auf Wunsch der Familie die Rolle ihrer Mutter.

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