Deutscher Top-Virologe überlegt Rückzug aus den Medien

Christian Drosten missfällt vieles an der Virus-Berichterstattung.
Christian Drosten wurde für viele Deutsche in der Corona-Krise zu einer Instanz. Doch nach jüngsten Vorkommnissen erwägt der Spitzenmediziner die Abkehr von seiner Rolle.

Der deutsche Top-Virologe Christian Drosten erwägt nach eigenen Worten den Rückzug aus der Öffentlichkeit. In seinem täglichen NDR-Podcast über die Corona-Pandemie sagte Drosten, er habe ein eMail bekommen, in dem er persönlich für den Tod des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer verantwortlich gemacht wurde.

Da sei die Grenze der vernünftigen Diskussion überschritten. Wenn dies nicht aufhöre, müsse die Wissenschaft den geordneten Rückzug antreten, sagte der Leiter des Instituts für Virologie in der Berliner Charité.

Kritik an Talkshows

Drosten sagte, er habe es zuletzt schon vermieden, im Fernsehen aufzutreten. In Talkshows werde versucht, Konflikte unter Wissenschaftlern zu schüren und zu überzeichnen.

Noch sei das Wohlfühlniveau in Deutschland offenbar so hoch, dass medial versucht werde, gesellschaftliche Unzufriedenheit zu befördern. Allerdings, warnte Drosten, werde das Wohlfühlniveau in der Gesellschaft in den kommenden Wochen nicht so bleiben.

Drosten kritisierte, in den Medien würden Forscher immer mehr als Entscheidungsträger dargestellt. Wissenschaftlern würden Dinge angehängt werden, die so nicht stimmten.

Berater der Kanzlerin

Drosten betonte, kein Wissenschaftler wolle politische Entscheidungen treffen. Dafür hätten sie kein demokratisches Mandat. Politiker müssten das Gesamtbild betrachten und die Ergebnisse der unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen berücksichtigen.

Der 47-jährige habilitierte Virologe Drosten berät Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wie auch Ministerpräsidenten von deutschen Bundesländern. In den vergangenen Wochen wurde er im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus in Europa zu einer der meistgefragten und -zitierten Personen in Deutschland.

Die Öffentlichkeit suchte Drosten bisher auch selbst - etwa mit seinem täglichen, 30 Minuten langen Podcast in Zusammenarbeit dem NRD über die aktuellen Entwicklungen rund um Covid-19. Man wolle mit dem Podcast so viele Menschen wie möglich so fundiert wie möglich informieren - ohne dabei unnötige Panik zu verbreiten, heißt es vom NDR.

Deutschland hat bis 31. März um 8 Uhr rund 62.000 Corona-Infektionen verzeichnet und 583 Tote zu beklagen.

Stufenweise in eine neue Normalität

Drosten sagte vergangene Woche, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deuschland sollten zu einem geeigneten Zeitpunkt stufenweise aufgehoben werden. "Natürlich muss man da raus", sagte er, ohne jedoch einen konkreten Zeitpunkt zu nennen.

Es müsse geklärt werden, wo und für wen dies zuerst gelten solle. Hier sei die Wissenschaft gefragt, man benötige Modellvorhersagen. Risikogruppen wie ältere Menschen einfach zu isolieren, funktioniere aber nicht.

Beschränkungen können auch zurückkehren

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will bis spätestens zu Ostern ein Konzept zur Lockerung der geltenden Kontaktverbote entwickeln. "Vielleicht müssen wir uns darauf einstellen, dass es über Wochen bestimmte Ausgangsbeschränkungen immer mal wieder und zeitlich begrenzt geben wird, je nachdem, wie sich das Virus regional ausbreitet."

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