Vom inzwischen verstorbenen Schlagersänger Karel Gott bis zum Bomberpiloten aus dem Zweiten Weltkrieg: Der Orden des Weißen Löwen, Tschechiens höchste Auszeichnung, wird jedes Jahr am Nationalfeiertag, dem 28. Oktober, verliehen – und zwar vom Präsidenten auf der Prager Burg.
Doch der ist inzwischen seit zwei Wochen außer Gefecht und liegt im Prager Militärkrankenhaus auf der Intensivstation. Milos Zeman wird also heuer nicht nur keine Orden verleihen, er empfängt auch weiterhin nicht jenen Gast, von dem die politische Entwicklung im Land voraussichtlich abhängt: Petr Fiala, Chef der konservativen Partei ODS und aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Regierungschefs.
Koalition fast fertig
Fiala hat in einem Bündnis („Spolu“) mit weiteren konservativen und wirtschaftsliberalen Parteien die Parlamentswahlen am 8. und 9. Oktober knapp gewonnen. Der amtierende Premier Andrej Babis, dessen Partei ANO auf dem zweiten Platz gelandet ist, hat bereits die Segel gestrichen und geht in Opposition. Fiala bastelt also unter anderem mit der linksliberalen Piratenpartei an einer Koalition. Man sei bereits „über 95 Prozent des Koalitionspaktes einig“, verkündeten die Verhandler. Der umstrittene Rest werde jetzt in Kleingruppen und mit hohem Tempo bearbeitet.
Tauziehen um Amtsenthebung
Doch den Startschuss für eine neue Regierung muss der Staatspräsident geben. Er allein kann den Auftrag zur Bildung einer Regierung geben. Solange der nicht erfolgt ist, steht das Land politisch still. Der einzige Ausweg: Eine Amtsenthebung des Präsidenten durch das neue Parlament unmittelbar nach der konstituierenden Sitzung am 8. November.
Im Hintergrund gibt es heftiges politisches Tauziehen, ob Zeman tatsächlich amtsunfähig ist. Vertraute des Staatschefs tricksten offensichtlich heftig, um Amtshandlungen und politische Treffen Zemans im Krankenhaus vorzutäuschen. Sogar umdatierte Videos wurden an die Öffentlichkeit gespielt. Die Polizei ermittelt.
Inzwischen aber geht es Zeman nach Angaben seiner Ärzte tatsächlich besser. Viele Abgeordnete rücken daher von der Amtsenthebung ab, um die politische Krise nicht noch weiter anzuheizen.
Doch welche Erkrankung der chronisch kranke Staatschef wirklich hat, darüber gibt es weiterhin mehr wilde Gerüchte als konkrete Informationen der Mediziner.
Dringende Maßnahmen
Doch die Zeit drängt, vor allem aus einem Grund: Die Pandemie. Tschechien, wo zuletzt die Normalität zurückkehrte, erlebt wieder dramatisch steigende Infektionszahlen. Die derzeit noch amtierende Regierung bereitet Gegenmaßnahmen, ähnlich jenen in Österreich, vor, also etwa 3-G am Arbeitsplatz. Doch ob und wie man die durchs demnächst neu besetzte Parlament bringt, ist unklar. Die politische Pattstellung wird zum Problem, wie auch die tschechische Zeitung Lidove noviny feststellt: „Das Virus wartet nicht auf die neue Regierung.“
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