„In West-Jerusalem waren schon alle Einkaufszentren und Märkte geschlossen, nur in Supermärkten durfte noch eingekauft werden. Doch in der Altstadt hielt sich keiner an die Anweisungen der Gesundheitsbehörden. Erst mit Einführung der Kontrollen schlossen Kleider-Geschäfte und Souvenir-Läden“, sagt er.
Eine Erfahrung, die auch Israels Gesundheitsbehörde machte. In arabischen und orthodoxen jüdischen Wohnvierteln wurden die Ausgangsbeschränkungen nur lax eingehalten. Trotz gegenüber Obrigkeiten hat hier eine gewisse Tradition.
Mit schlimmen Folgen für die Umgebung in Corona-Tagen. Die Polizei verschärfte daraufhin ihre Kontrollen. Über Bney Brak, eine allein von orthodoxen Juden bewohnte Stadt, wurde Ausgangssperre verhängt. In Jaffa, dem arabischen Vorort Tel Avivs, kam es zu vereinzelten Randalen.
„Allzu lange können solche Beschränkungen nicht aufrechterhalten werden“, glaubt Markus Bugnyár, „dann ist mit Unruhen zu rechnen.“ Im Hospiz selbst werden die Vorschriften mit Mindest-Distanz und beschränktem Ausgang genau eingehalten. „So leer habe ich das Hospiz noch nie gesehen. Alle Gästezimmer stehen leer. Sonst gab es auch in unruhigen Zeiten immer noch vereinzelt Gestrandete, die Unverwüstlichen und sogar die eine oder andere Gruppe, die sich nicht abschrecken ließ. Jetzt kommt eben niemand mehr ins Land. Der Flugverkehr liegt lahm.“
Zehn Menschen wohnen noch im Hospiz. Und arbeiten. „Alles, was sonst aufgeschoben wird. Leichte Reparaturen, Entrümpelungen und alle Arbeiten, für die sonst während der Saison keine Zeit ist“, erklärt Jonas Lamprecht, ehemaliger Zivildiener und seit 2018 Leiter des gastronomischen Bereichs. Ohne Gäste schrumpft das Hospiz zum Haushalt. Auch die Einkäufe für den alltäglichen Bedarf sanken entsprechend. „Jetzt kaufen wir in der Umgebung. Lebensmittelgeschäfte sind ja geöffnet.“
Große Sorgen machen sich Mugnyár und Lamprecht um ihre palästinensischen Mitarbeiter. Nur einer, der ganz in der Nähe zum Hospiz wohnt, findet sich noch täglich ein und arbeitet mit, wo immer er gebraucht wird. Die anderen sitzen zu Hause.
Auch das Hospiz gehört zu den kirchlichen Einrichtungen, die in Jerusalem einen Sonderstatus noch aus Zeiten der Osmanen haben. Was diese in gewisser Weise zu juristischen Unpersonen macht, die nicht einmal eigene Bankkonten haben können. Doch nimmt das Österreichische Hospiz eine Zwischenstellung ein. Von der Leitung wird das in den letzten Jahren vermehrt „zum ganz normalen Steuern zahlen“ genutzt (was zuvor nicht der Fall war). Vorteil: Die lokalen Mitarbeiter haben dadurch Anspruch auf die anlaufende Finanzhilfe für Corona-Arbeitslose.
Die Lage ist nicht nur ungewohnt, sie ist unbekannt. Helfen wird zu einer Grauzone. So hat das Hospiz einen eigenen kleinen Spender-Kreis, der seine Spenden aber nicht direkt von der Steuer absetzen können. Und was wird aus der traditionellen Kirchen-Kollekte zu Palmsonntag für das Heilige Land? Der „Präsenzgottesdienst“, als Gegenstück zu seinem virtuellen Ersatz übers Internet, ist selten geworden – und der virtuelle Klingelbeutel steckt noch im Versuchsstadium.
Sorgen über Sorgen. Für sich selbst aber versucht Lamprecht, auch die Vorteile einer Heimquarantäne zu nutzen. Dabei spricht er von „Entschleunigung“. Zeit für sich selbst. Kann der Mensch nicht raus, kehrt er in sich. Ohne Gäste fehlt der direkte Stress. Die ganz stressigen Gäste, etwa solche mit dem Jerusalem-Syndrom, sind ohnehin nicht allzu häufig: Menschen, die in der Heiligen Stadt plötzlich Stimmen hören oder sich als biblische Propheten fühlen. Die üblichen Pedanten und Unbedarften finden sich in Hospizen wie in Hotels ein. „So gelegen einem eine Pause im Stress auch kommen mag, er fehlt einem dann auch wieder sehr schnell.“
Was Jakob Schwaiger, ebenfalls Zivildiener, bestätigen kann. Ihm fehlt vor allem die Möglichkeit, die Freizeit zu Ausflügen zu nutzen. „Ich fahre gerne durch dieses aufregende Land. Das geht nicht mehr.“ Beide beklagen sich nicht über Mangel an Arbeit oder Langeweile. „Wir gehören in der Altstadt vergleichsweise zu den Privilegierten. Das Hospiz hat einen großen Garten und auch die Dachterrasse bietet ein wenig Auslauf.“
Keiner weiß, wann das Virus seinen Rückzug antreten wird, auch wenn alle wissen, es bleibt nicht immer so. „Ich versuche, das mit einer gewissen Hoffnung zu sehen. Irgendwann ist Schluss mit dieser Krise. Nicht wie bei Kriegen und Konflikten“, meint Markus Mugnyár. Doch weiß auch er um alle Unklarheiten zum Tag danach. „Aber es wird wieder weitergehen – und der Bedarf, zu pilgern, sollte sich nach solchen Zeiten eher steigern.“
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