Bis 2024. Im Vorjahr kam das chinesische Geld im großen Stil zurück, wie das deutsche Mercator-Institut für Chinastudien (MERICS) in einer gemeinsamen Studie mit dem US-Thinktank Rhodium Group (Rhg) analysierte: Rund zehn Milliarden Euro investierten chinesische Konzerne 2024 in Europa, es ist der erste und gleichzeitig größte Anstieg seit acht Jahren.
Alleine ein Drittel davon ging an jenen Staat, der sich seit Jahren als Chinas treuester Partner in Europa hervortut: Ungarn. Mit 3,1 Milliarden Euro erhielt das Nachbarland mehr Geld aus Peking als Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammen. Zufall ist das keiner.
Orbáns "Öffnung nach Osten"
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán propagiert seit Jahren die „Öffnung nach Osten“ und hat politische Schritte gesetzt, um sein Land für chinesische Investoren attraktiver zu machen: Budapest vergibt hohe Förderungen für neue Batterie- oder E-Auto-Fabriken – genau jene Branche also, die in China gerade boomt.
Kein Wunder, dass die deutsch-amerikanische Forschergruppe vier der fünf größten chinesischen Investitionsprojekte in Europa 2024 in Ungarn verortet. Es sind drei „Gigafabriken“ der Batteriehersteller CATL, Sunwoda Electronic und Eve Energy sowie eine der chinesischen E-Auto-Marke BYD.
Es gibt rationale wirtschaftliche Gründe dafür, dass sich diese Firmen gerade jetzt in Europa niederlassen. Die europäische Autobranche steckt in der Krise, zu ihrem Schutz hat die EU im Vorjahr Strafzölle von bis zu 45 Prozent des Kaufpreises gegen aus China importierte E-Autos in Kraft gesetzt. Diese Zölle umgehen chinesische Firmen, wenn sie ihre Autos innerhalb der EU produzieren.
Die Entscheidung für Ungarn fällt aus politischem Kalkül
Würden chinesische Hersteller ausschließlich rational handeln, hätten sie sich wohl in den klassischen Auto-Nationen Deutschland oder Italien niedergelassen, wo ganze Industrieviertel auf die dahinterstehende Logistik ausgelegt sind. Oder in Polen, wo die Löhne ähnlich niedrig sind wie in Ungarn, die Wirtschaft aber stärker im Aufschwung ist.
Die Entscheidung für Ungarn ist, das legt die Analyse nahe, in erster Linie politisch. Außerhalb Europas nutzt Chinas Regierung Investitionsangebote längst als Druckmittel, um andere Staaten dazu zu bringen, in ihrem Sinne zu handeln.
Als die 27 EU-Staaten im Sommer 2024 über die E-Auto-Zölle abstimmten, votierte Orbán dagegen, Polens Regierungschef Donald Tusk dafür – im Anschluss gingen mindestens zwei Zusagen für neue chinesische Fabriken an Ungarn.
Kurzfristig profitiert Orbán, langfristig ist die Partnerschaft riskant
Die Investitionen werden in den nächsten Jahren weiter steigen, Fabriken weiter gebaut werden. Orbán profitiert davon kurzfristig enorm, er kann sich als Regierungschef präsentieren, der sich der EU entgegenstellt, stattdessen direkt mit globalen Großmächten verhandelt – und Geschäfte an Land zieht. Die Nähe zu Peking wird in Budapest längst als Standortvorteil gesehen.
Auf lange Sicht birgt der Trend aber große Risiken. Fast alle Großinvestitionen fallen auf den Sektor E-Mobilität. Die Verkäufe chinesischer E-Autos bleiben in Europa aber bisher hinter den Erwartungen zurück. Zudem könnte das Modell durch ein verschlechtertes Verhältnis zwischen China und der EU mit neuen gegenseitigen Zöllen oder gar Sanktionen ins Wanken geraten.
Die angekündigten zigtausenden Arbeitsplätze werden die chinesischen Fabriken ohnehin nicht bringen. Berichten zufolge findet dort nur die finale Montur statt, das heißt: Sie importieren fast fertig gebaute Produkte aus China und verleihen ihnen das Label „Made in Europe“. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass der Großteil der Mitarbeiter vor allem anfangs aus China mitgebracht wird.
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