Die Besetzung ist hochkarätig, die Themenliste ellenlang, die Stimmung schlecht. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel, EU-„Außenminister“ Josep Borrell: Es ist das Spitzentrio der EU, das am Donnerstag in Peking eintrifft. Auch Peking hat seine Regierungsspitze aufgeboten, angeführt vom zunehmend uneingeschränkten Machthaber Xi Jinping.
Schlechte Stimmung
Es hat sich einiges angehäuft, seit man einander zum letzten Mal, 2019, persönlich gegenüber gesessen ist – und es wird mehr als diplomatische Freundlichkeiten brauchen, um ein paar dieser Hürden aus dem Weg zu räumen. Wie schlecht die Stimmung zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken derzeit ist, machte das Wortgeplänkel auf Distanz deutlich, das sich Von der Leyen und der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin im Vorfeld lieferten.
"Werden uns schützen"
Die Kommissionschefin beklagte das wachsende Ungleichgewicht im Handel zwischen China und der EU – und setzte eine Warnung dahinter: Europa habe Mittel, um seine Märkte vor der Warenflut aus China zu schützen.
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Der Chinese antwortete umgehend – mit ebenso harter Kritik: Wenn die EU einerseits den Export von High-Tech-Produkten nach China verbiete, zugleich aber seine Handelsbilanz verbessern wolle, werde sich das wohl nicht ausgehen.
E-Autos und Wein
Hinter dem Wortgefecht unter Spitzenpolitikern verbirgt sich ein mühsames Tauziehen um Handelsschranken, mit denen beide Seiten drohen, oder längst hantieren. So hatte die EU-Spitze schon im Herbst angekündigt, die Elektroautos, mit denen China derzeit auf dem europäischen Markt anrollt, zu überprüfen – und zwar auf staatliche Subventionen. Denn nur die, lautet der Vorwurf aus Brüssel, würden Marken wie BYD einen Preisvorteil gegenüber der EU-Konkurrenz verschaffen.
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China wiederum, das den Zugang auf seinen Märkten grundsätzlich strenger kontrolliert, macht es europäischen Exporteuren in vielen Sparten schwer. Betroffen sind etwa Güter wie Wein, oder Kosmetika. Alles Themen, über die sich die Delegationen bei diesem Gipfel den Kopf zerbrechen müssen.
Drohung mit Sanktionen
Doch nicht nur bei Handelsfragen kommen Europa und China derzeit kaum auf einen Nenner. Beim Krieg in der Ukraine gibt Peking zwar den neutralen Beobachter, macht aber gute Geschäfte mit Lieferungen für die russische Rüstungsindustrie – und das oft mit Waren, die aus Europa stammen.
Attacke auf Pipeline
Die EU droht den chinesischen Unternehmen, die in diese Geschäfte verwickelt sind, offen mit Sanktionen. Ein Zwischenfall vor einigen Wochen hat für viele EU-Vertreter noch klarer gemacht, für welche Seite sich Peking stark macht. Dass ausgerechnet ein chinesisches Schiff die Erdgas-Pipeline im Meer zwischen den EU-Staaten Finnland und Estland beschädigte, gilt in Brüssel inzwischen nicht mehr als Zufall, sondern als gezielte Sabotage.
Gretchenfrage Menschenrechte
Auf der Themenliste für den eintägigen Gipfel steht noch einiges mehr an „strategischen Dialogen“, wie es Brüsseler Verhandler erläutern. Darunter auch die immer gleiche Gretchenfrage, wie es denn China mit den Menschenrechten hält.
Aktuelle Medienberichte haben die Herkunft vieler Waren bei europäischen Textilketten wieder einmal in chinesischen Straflagern aufgespürt: Natürlich in der Provinz Xinjiang, in der Peking die muslimische Minderheit unterdrückt. Auch an diesem Thema wollen und können sich die EU-Verhandler nicht vorbeischummeln.
Auch China braucht Europa
Ob sich mit so viel Streitpunkten im Hintergrund fruchtbare Gespräche über Handel ausgehen? Auf EU-Seite jedenfalls macht man sich Hoffnungen auf „konkrete Fortschritte“. Schließlich könne auch die schwächelnde chinesische Wirtschaft einen Schub gut brauchen und dazu „möglichst normale wirtschaftliche Verhältnisse“.
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