China: Ein Volk unter Beobachtung

Überwachung gehört zum chinesischen Alltag.
China ist weltweit führend bei der Entwicklung und dem Einsatz von Gesichtserkennung.

Von Fastfood-Restaurants über Studentenwohnheime bis zur Kriminalitätsbekämpfung: Beim Einsatz von Gesichtserkennung ist China weltweit führend. Die Befürworter des biometrischen Verfahrens machen geltend, es mache das Leben einfacher und sicherer. Kritiker warnen, dass diese Technologie ein weiteres Beispiel für die immer engmaschigere Überwachung der 1,4 Milliarden Bürger durch den Staat sei.

Neue Technologien gegen Gesetzesbrecher

Shanghai und andere Städte in der Volksrepublik begannen vor kurzem mit dem Einsatz des computergestützten Identifikationsverfahrens, um Verkehrssünder an den Pranger zu stellen. An manchen Kreuzungen der Metropole leuchten auf Bildschirmen die Gesichter der Fußgänger auf, die nicht auf den gekennzeichneten Wegen über die Straße gehen. Um sein Bild löschen zu lassen, muss ein Delinquent umgerechnet knapp 2,60 Euro Strafe zahlen.

China: Ein Volk unter Beobachtung
In this photograph taken on August 9, 2017 a Chinese girl walks past the installed facial recognition screen at a road intersection in Shanghai. From toilet-paper dispensers to fast-food restaurants, travel and crime-fighting, China is taking the lead in rolling out facial-recognition technology. / AFP PHOTO / CHANDAN KHANNA / TO GO WITH STORY: China-lifestyle-economy-technology-security-facial, FOCUS by Peter STEBBINGS

Bereits heute ist das kommunistisch regierte China eine der weltweit am strengsten überwachten Nationen. Schätzungen zufolge werden die Bürger von mehr als 176 Millionen Kameras auf Schritt und Tritt beobachtet. Manche finden das in Ordnung: "Ich akzeptiere das", sagt die 42-jährige Krankenhausmitarbeiterin Wu, die nur ihren Vornamen nennt. "Die Schuldigen wurden schließlich in der Öffentlichkeit fotografiert, und es ist eine Möglichkeit, das Gesetz durchzusetzen."

Auch aus Sicht der Polizei macht der Einsatz der Gesichtserkennung das Land sicherer, etwa wenn mit ihrer Hilfe Kriminelle gefasst werden. So wurden in Qingdao bei einem Bierfestival 25 Verdächtige festgenommen, die dank biometrischer Verfahren an den Eingangstoren identifiziert wurden.

China: Ein Volk unter Beobachtung
Facial recognition technology is shown at DeepGlint booth during the China Public Security Expo in Shenzhen, China October 30, 2017. Picture taken October 30, 2017. REUTERS/Bobby Yip

Da in China alle Bürger über 16 einen Ausweis mit Bild und Adresse besitzen müssen, können die Behörden aus einem riesigen Datenschatz schöpfen. Angesichts der vergleichsweise laxen Datenschutzbestimmungen in der Volksrepublik kommen Gesichtsscanner in China deutlich häufiger zum Einsatz. Auch sind die Bürger es gewöhnt, dass Fotos von ihnen gemacht, Fingerabdrücke genommen und alle möglichen persönlichen Informationen gesammelt werden.

Gesichtserkennung in allen Lebensbereichen

Im weltberühmten Himmelstempel aus der Kaiserzeit in Peking wurden sogar in den Toiletten Gesichtsscanner installiert, um die Papierverschwendung zu bekämpfen: Bedient sich jemand mehrfach am Papierspender, so weist ihn der Automat höflich ab.

Eine Pekinger Universität installierte Gesichtsscanner, um Unbefugte am Betreten der Studentenwohnheime zu hindern und "den Aufenthaltsort der Studenten besser zu überwachen", wie ein Vertreter der Universität von der Nachrichtenagentur Xinhua zitiert wurde. Auch erste Banken nutzen das Verfahren bereits an Geldautomaten zur Authentifizierung der Kunden, und die Fluggesellschaft China Southern Airlines begann mit dem Einsatz von Gesichtserkennung anstelle von Bordkarten.

China: Ein Volk unter Beobachtung
A teacher uses a machine which employs both fingerprint and facial recognition technology to check the identification of a student before a simulated college entrance exam in Handan in China's northern Hebei province on June 6, 2017. The simulated exam was held to familiarise students with the process to be used for annual college entrance exams which begin nationwide on June 7. Millions of students across China will take the exams. / AFP PHOTO / STR / China OUT

Der China-Ableger der Schnellrestaurant-Kette Kentucky Fried Chicken führte eine biometrische Zahlungsmethode nach dem Motto "Smile to Pay" ein, die mit dem Online-Bezahlsystem des chinesischen Handelsriesen Alibaba verbunden ist. Und in Shanghai werden im Rahmen eines staatlichen Projekts geistig verwirrte Bürger per Gesichtserkennung zu ihren Angehörigen zurück gebracht.

China: Ein Volk unter Beobachtung
LAS VEGAS, NV - JANUARY 05: An Alibaba employee demonstrates 'Smile to Pay', an automatic payment system that authorize payment via facial recognition, at the Alibaba booth during CES 2017 at the Las Vegas Convention Center on January 5, 2017 in Las Vegas, Nevada. CES, the world's largest annual consumer technology trade show, runs through January 8 and features 3,800 exhibitors showing off their latest products and services to more than 165,000 attendees. Alex Wong/Getty Images/AFP ++ KEINE NUTZUNG IN TAGESZEITUNGS-BEILAGEN! NUR REDAKTIONELLE NUTZUNG IN TAGESZEITUNGEN, TAGESAKTUELLER TV-BERICHTERSTATTUNG (AKTUELLER DIENST) UND DIGITALEN AUSSPIELKAN€LEN (WEBSITES/APPS) IM UMFANG DER NUTZUNGSVEREINBARUNG. S€MTLICHE ANDERE NUTZUNGEN SIND NICHT GESTATTET.++

China will bis 2030 führend bei KI sein

Das alles ist Bestandteil einer groß angelegten High-Tech-Offensive: Im Juli kündigte die Regierung an, China wolle bis 2030 weltweit führend sein auf dem Gebiet Künstlicher Intelligenz.

Dieser Trend werde vor allem von chinesischen Technologiegiganten wie Alibaba und Baidu vorangetrieben, betont der Juraprofessor Yue Lin von der Universität von Shanghai. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft beurteilt er vorsichtig optimistisch: "Die Autorität der Polizei hat sich nicht verändert, doch wurde eindeutig ihre Macht gestärkt. Dies findet nicht nur in China statt, sondern überall auf der Welt." Yue räumt ein, dass diese Entwicklung anderenorts nicht so positiv gesehen wird. "Vielleicht ist es eine gute Sache für die Chinesen, aber eine schreckliche für die Amerikaner."

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