Terror in Paris: Diese Fragen sind noch offen
Am Sonntag war Paris die Hauptstadt der Welt – Millionen Menschen, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs, gingen in Frankreich auf die Straßen, um Einigkeit gegen den Terror zu demonstrieren. Weltweit solidarisierten sich ebenfalls Millionen – die Welt stand gestern ganz im Zeichen von Charlie Hebdo und dem fragilen Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Symbol wird sicherlich nicht ohne Nachhall bleiben (mehr zum Trauermarsch lesen Sie hier, Details zur Kundgebung in Wien finden Sie hier).
Zurück bleiben neben der Ohmacht gegenüber der Bedrohung auch viele Fragen. Ungeklärt ist etwa die Rolle von Hayat Boumeddiene, der Lebensgefährtin eines der Attentäter – ebenso unbeantwortet ist die Frage nach den Hintermännern. Der KURIER hat die wichtigsten Fragen zusammengestellt - und mögliche Antworten darauf gesucht.
Wer steckt hinter der Attentaten?
Die Ermittlungsbehörden wissen darauf noch keine hundertprozentige Antwort. Dass die Brüder Kouachi und Amedy Coulibaly den Anschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion und die Polizistin im Süden von Paris geplant und verübt haben, steht für die Polizei mittlerweile fest - Coulibaly hat dies in einem Telefonat mit dem französischen TV-Sender BFMTV auch zugegeben. Wer die Hintermänner sind, ist jedoch nicht so klar: Coulibaly hat sich im selben Gespräch zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt, die Brüder Kouachi hingegen hatten laut Erkenntnissen der Geheimdienste Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida. Sie sagten auch offen, dass sie der Vereinigung angehören; der jüngere der Brüder war zudem in Syrien und im Irak, der ältere hat ein Trainingslager im Jemen absolviert.
Gibt es Bekennerschreiben?
Was sagen Geheimdienste und die französische Regierung?
Paris ist sich sicher, dass die Anschläge orchestriert waren. Premierminister Manuel Valls meinte am Montag, die französische Polizei suche nach Unterstützern der islamistischen Terroristen – denn es gebe "ohne Zweifel einen Komplizen". Fix ist auch, dass sich die Attentäter während ihrer Haftzeit kennengelernt haben, also in Kontakt gestanden hatten.
Haben die Attentäter weitere Anschläge verübt?
Ja – zumindest einer der Islamisten soll dies getan haben: Am Mittwochabend war im Großraum Paris ein 32-jähriger Jogger angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden; hinter diesem Anschlag könnte Amedy Coulibaly stecken. Die Kugeln, die an diesem Tatort gefunden wurden und jene vom Anschlag auf das jüdische Geschäft, passen zueinander.
Wo steckt Coulibalys Lebensgefährtin ?
Die Rolle der 26 Jahre alten Hayat Boumeddiene ist nach wie vor nicht ganz klar. Sie gilt als Freundin von Amedy Coulibaly, die beiden sollen auch religiös verheiratet gewesen sein. Ob sie sich tatsächlich in dem jüdischen Lebensmittelladen aufgehalten hat und während der Geiselbefreiung abtauchen konnte, ist nicht gewiss - sie soll sich nämlich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in Frankreich aufgehalten haben. Sie sei schon am 2. Jänner in die Türkei und von dort vermutlich weiter nach Syrien gereist, bestätigte auch die türkische Regierung. Nach ihr wird dennoch fieberhaft gesucht, denn ihr Amedy Coulibaly verwendete ihr Auto vor der Geiselnahme. Laut Fahndungsaufruf der Polizei gilt sie als "bewaffnet und gefährlich".
Sind weitere Anschläge zu erwarten?
Die Regierung geht davon aus. "Das ist nicht zu Ende", warnte Präsident Francois Hollande am Sonntag. Premier Valls kündigte weitere neue Schritte im Kampf gegen den Terrorismus an – dazu gehört etwa, dass die Möglichkeiten für Abhörmaßnahmen verbessert werden. Islamistische Häftlinge sollen zudem in den Gefängnissen isoliert werden, um Absprachen zu vermeiden. 4.700 Polizisten und Gendarmen Soldaten sind abgestellt, um die 717 jüdischen Einrichtungen des Landes wie Schulen und Synagogen zu bewachen, auch 10.000 Soldaten werden zur Verstärkung hinzugezogen. Auch die höchste Terrorwarnstufe wird beibehalten.
Wieso fehlte Barack Obama bei der Trauerkundgebung?
Angela Merkel, Benjamin Netanyahu und sogar Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas waren da – nur Barack Obama fehlte beim Marsch in Paris. Auch Vize-Präsident Joe Biden und Außenminister John Kerry waren als mögliche Vertreter abwesend. Dies heizte natürlich Spekulationen an, auch Kritik – vor allem von republikanischer Seite – blieb nicht aus. Kommentar seitens des Weißen Hauses gibt es dazu bislang keinen. Möglicherweise war Obamas Fehlen aber auch Sicherheitsaspekten geschuldet: Wie ein Kommentator im französischen TV meinte, waren die Sicherheitsvorkehrungen für den Trauermarsch schon ohne US-Vorgaben durch Secret Service und CIA aufwendig genug.
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