Der gekrönte Charles: Die Wucht der Geschichte lastete schwer
Einmal nur, da kam ihm ein Lächeln aus, und es schien, als fiele die Last für einen Augenblick von Charles’ Schultern. Ein Gospelchor füllte die Westminster Abbey mit einem jauchzenden Halleluja und swingte dazu in weißen Anzügen, mitten unter all dem vielen Tiefschwarz und Gold.
Es war wohl der Moment, an dem sich der neue König in diesem versteinerten Zeremoniell einmal sichtbar gemacht hatte. Ansonsten tat Charles an diesem verregneten Frühlingstag vor allem eines: Tapfer und mit sichtlich viel Mühe Stellung zu halten.
Man hat als König auch wirklich viel zu tun bei so einer Krönung, die ja aus einer Unzahl von aus vielen Jahrhunderten zusammengestückelten Ritualen besteht – die meisten erzählen von einer blutigen Geschichte des Kampfes um die Macht.
Das beginnt schon mit dem Edwardschen Stuhl, auf dem die Krönung stattfindet. Unter dem Holzkasten aus dem Hochmittelalter lag auch bei dieser Krönung der einst den Schotten gestohlene Königsstein. Bis zuletzt hatten die Schotten sich geweigert, den noch einmal nach London zu schicken.
Wie ein Schulbub
Nicht nur in diesem Stein steckt viel dunkle britische Vergangenheit, auch in all den Schwertern, Sporen und Zeptern, die Charles der Reihe nach überreicht wurden. Das meiste davon musste er nur berühren.
Die Krone aber, Zepter und Reichsapfel, die musste er vom Moment der Krönung bis zum Auszug aus der Kirche tragen – und in jedem Moment sah man ihm an, wie schwer ihm das fiel. Immer wieder rappelte er sich im Krönungsstuhl aus einer gebückten Haltung auf, saß dann für kurze Zeit aufrecht wie ein Schulbub, den man dazu ermahnt hatte.
Mit meist sorgenvoller Miene absolvierte Charles das Zeremoniell, in dem er gerade einmal ein paar Momente mit seinen eigenen Vorstellungen, seiner eigenen Persönlichkeit unterbringen konnte.
Charles will dienen
Da war vor allem die Betonung des Dienens, die für ihn wie schon für seine Mutter das Herrscherdasein ausmacht. Die hatte bei ihrer Krönung noch die traditionelle Formel gesprochen: Sie sei gekommen, damit man ihr diene. Charles drehte es um, sagte, dass er dienen wolle.
Und dieses Dienen tauchte nicht zufällig auch in der Predigt und in anderen Teilen der Liturgie des Gottesdienstes auf.
Unbedingt wollte Charles, der sich so eingehend mit anderen Religionen beschäftigt hatte, diese auch in seinem Krönungsgottesdienst unterbringen. Auch das keine leichte Aufgabe, schließlich wird da traditionell nur eines betont: Der König als Verteidiger des protestantischen Christentums und der anglikanischen Kirche.
Einmal aber durfte Charles seine Mitbürger „jeder Religion und jedes Glaubens“ direkt ansprechen: In dem Moment, als es um den Treueeid auf den König ging.
Nein, er ließ nicht zu diesem Treueeid aufrufen, wie es ursprünglich geplant war, sondern lud ein, ihn mitzusprechen. Und wer lieber schweigen wolle – das wurde extra betont –, könne das ebenso gerne tun.
Heitere Camilla
Merklich lockerer, aufrecht und mit einem Lächeln ließ sich Camilla danach krönen. Anders als ihr Ehemann und ewiger Lebensbegleiter schien sie ihren großen Moment in der Zeremonie zu genießen.
Der persönlichste und berührendste Augenblick in dieser oft zentnerschweren Zeremonie gehörte Kronprinz William.
Als Thronfolger musste er ebenfalls ein paar symbolträchtige Kleidungsstücke seinem Vater um die Schulter legen, und das nützte er, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, so als wollte er das Ritual aus seinem Todernst aufwecken. Charles bedankte sich, sichtlich gerührt, mit einem gemurmelten Dankeschön.
Eine gefühlte Ewigkeit sollte danach die goldene State Coach über die Mall rollen, im Schritttempo, viel mehr lässt das Vehikel aus den Zeiten Napoleons ohnehin nicht zu. Das traditionelle Winken vom Balkon des Buckingham Palast blieb diesmal ohne Höhepunkte.
Die vielleicht menschlichste Begegnung mit Charles an diesem Krönungstag fand ohnehin abseits der Zeremonie statt. In der Londoner U-Bahn, da wünschte auf einmal die Stimme des Königs über Lautsprecher ein schönes Wochenende und warnte, wie in London üblich, vor dem Spalt zwischen Zug und Bahnsteig.
Auf so einen Spalt wird wohl Charles auch von nun an achten müssen – zwischen seinen politischen Visionen und dem nicht nur an diesem Tag zentnerschweren königlichen Zeremoniell.
Kommentare