Chaos bei russischer Teilmobilmachung: Widerstand gegen Putin wächst

Chaos bei russischer Teilmobilmachung: Widerstand gegen Putin wächst
Indes beförderte Putin den Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow zum Generaloberst. Nach einer Beleidigung seines Günstlings.

„Wenn es nach mir ginge, würde ich Lapin zum einfachen Soldaten degradieren, seine Auszeichnungen abnehmen und ihn mit einem Maschinengewehr in der Hand an die Front schicken, um seine Schande mit Blut abzuwaschen“, beschimpfte Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow noch vor wenigen Tagen den russischen Generaloberst, „Helden der russischen Föderation“ und Putin-Günstling Alexander Lapin. Wladimir Putins Reaktion auf diese indirekte Beleidigung folgte wenig später:

Er beförderte Kadyrow ebenfalls zum Generaloberst. Diesen auf ersten Blick verwunderlichen Schritt interpretierten Militärexperten und Beobachter dahingehend, dass Putin verzweifelt versucht, die Balance zwischen seinen Militärs und den Hardlinern, zu denen Kadyrow zählt, zu halten. Ein schwieriges Unterfangen, während die Kritik an den russischen Niederlagen in der Ukraine auch in den Staatsmedien zunimmt.

Doch das ist nicht das einzige Problem des russischen Präsidenten: Die Teilmobilmachung legt immer deutlicher die maroden Bürokratie- und Versorgungsstrukturen der russischen Streitkräfte offen. In Videos ist etwa zu sehen, wie Zivilisten Lebensmittel und Getränke über einen Zaun reichen, um Militärangehörige zu versorgen. Eingezogene Soldaten werden dazu angehalten, Schlafsäcke und Medikamente selbst mitzubringen. Selbst in Kasernen müssen die Soldaten, von denen einige bereits nach einer kurzen Ausbildung im Kampfeinsatz in der Ukraine sind, in Zelten oder Veranstaltungssälen schlafen. Nun ist eine Einsatzausbildung kein Wellness-Urlaub, doch dass selbst die Nahrungsversorgung teilweise zum Problem wird, deutet darauf hin, dass der Teilmobilmachung nicht viel Planungszeit vorangegangen ist.

Zahlreiche alte, kranke Menschen, ebenso Studenten und Ungediente wurden einberufen – ein weiteres Zeichen, dass die jeweiligen Verantwortlichen ohne Planung und so rasch wie möglich die Quote an eingezogenen Männern erfüllen wollten. Ohne Rücksicht auf Details. Hunderte Menschen seien eingezogen worden, obwohl sie nicht den Kriterien entsprachen. Unter anderem seien der Vater eines Kindes mit Behinderung sowie ein an Schizophrenie leidender Mann einberufen worden, berichtete die Zeitung „Kommersant“. Da hilft es derzeit wenig, dass Putin Korrekturen angekündigt hat, der Unmut in der Bevölkerung wächst. Bereits zwei Militärkommissare wurden aufgrund der willkürlichen Einberufungen entlassen.

All diese Verfehlungen werden laut einem aktuellen Bericht des Institute for the Study of War (ISW) auch zunehmend in den streng kontrollierten russischen Medien diskutiert, die für den Kreml eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Kriegsakzeptanz spielen. Man sehe angesichts der chaotischen Teilmobilisierung und der russischen Niederlagen in Lyman und Umgebung „dramatische Veränderungen im russischen Informationsraum“, hieß es von ISW.

Kremlfreundliche Kommentatoren und Militärblogger würden immer offener Russlands Rückschläge betrauern und dabei auch in Verbindung mit „bürokratischem Versagen“ bei der Teilmobilisierung bringen. Auch die Schlagkraft der russischen Reserve werde im Fernsehen hinterfragt. 

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