Belgiens Premier Michel bestätigt CETA-Einigung

Premier Charles Michel und Außenminister Didier Reynders
Kanadas Premier sagte seine Reise nach Brüssel ab, nachdem es in der Nacht auf Donnerstag noch zu keiner Einigung in Belgien gekommen war. EU-Politiker forderten indes Konsequenzen nach der belgischen CETA-Misere.

Im Ringen um den Handelspakt CETA mit Kanada hat Belgien nun - mit einiger Verspätung - doch noch zu einer Einigung gefunden. Der belgische Regierungschef Charles Michel hat die Einigung der Regionen inzwischen bestätigt. Die Chefs der belgischen Regionen hätten ein gemeinsames Papier verfasst, in dem die Bedenken wegen Agrarimporten und des Streitbeilegungssystems behandelt worden seien. Belgien könne damit das Handelsabkommen unterzeichnen. Die in Brüssel erzielte Einigung zwischen der belgischen Zentralregierung und den Regionen des Landes werde nun an die Europäische Union sowie an die verschiedenen Parlamente in Belgien gesandt, sagte Michel weiter. Die Volksvertretungen würden "vor Freitag Mitternacht" darüber abstimmen, kündigte er an.

Die Wallonie, die Hauptstadtregion Brüssel und die französischsprachige Gemeinschaft hatten sich bisher gegen CETA gestellt und damit eine Zustimmung der Zentralregierung verhindert - das Handelsabkommen muss aber von allen EU-Mitgliedsländern angenommen werden.

Wegen des Widerstands in Belgien platzte die für diesen Donnerstag geplante Unterzeichnung des Handelsabkommens durch die EU und Kanada; der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau sagte seine für Mittwochabend vorgesehene Anreise nach Brüssel kurzerhand ab.

Kanada bleibt zurückhaltend

Die kanadische Regierung sieht auch nach der innerbelgischen Einigung noch nicht alle Hürden für das Handelsabkommen beseitigt. Die Regierung in Ottawa sprach am Donnerstag von einer positiven Entwicklung, fügte aber hinzu, es bleibe noch einiges zu tun bis zum Abschluss des CETA-Abkommens. "Wir haben eine fortschrittliche Vereinbarung ausgehandelt, die neue Arbeitsplätze und Wachstum für die Mittelklasse schaffen wird", sagte eine Sprecherin von Handelsministerin Chrystia Freeland. "Kanada bleibt nach wie vor bereit, das Abkommen zu unterzeichnen, sobald Europa dazu in der Lage ist." Ähnlich äußerte sich Kanadas Außenminister Stephane Dion, der die Aussichten auf einen CETA-Abschluss nach der Einigung in Belgien mit vorsichtigem Optimismus beurteilte.

Die Bedenken der Wallonie

Die Bedenken in Wallonien und Brüssel richteten sich vor allem auf zwei Themen. Zum einen bemängeln sie das in dem Abkommen vorgesehene Schlichtungsverfahren für Streits mit Investoren. Zum anderen fürchten die Wallonen Nachteile für die Landwirte durch Agrarimporte aus Kanada. Dieser Konflikt sei mit der Einigung auf eine Zusatzerklärung beigelegt, sagte Michel. Walloniens sozialistischer Regierungschef Paul Magnette sagte danach: "Es tut mir leid für die anderen Europäer und unsere kanadischen Partner, dass sie warten mussten." Es sei aber um wichtige Dinge nicht nur für Wallonien, sondern ganz Europa gegangen: um faire Marktregeln und um den Schutz der Bürger.

Was geschieht weiter?

Allerdings müssen nicht nur die EU-Partner und Kanada die belgische Zusatzerklärung nun akzeptieren, die den Vertragstext nicht ändert. Auch belgische Regionalparlamente müssen noch grünes Licht geben. Dies solle am Freitag geschehen, sagte Michel. Zudem muss noch das Europäische Parlament darüber beschließen. Und um endgültig und umfassend in Kraft zu treten, müssen am Ende auch noch die nationalen Parlamente der 28 EU-Länder Ja sagen zu CETA.

Wenig Verständnis für Wallonie

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD erklärte noch Mittwochvormittag in Berlin, er hoffe, der Gipfel könne "bald" abgehalten werden. Er hoffe, "dass die innerbelgischen Probleme schnell gelöst werden können". CETA sei "das beste Handelsabkommen, das die Europäische Union je ausgehandelt hat". Zugleich mahnte Gabriel, die kanadische Regierung habe bereits sehr viel Geduld mit Europa bewiesen.

"Wir müssen wegkommen von den nationalen Egoismen."

Europapolitiker forderten Konsequenzen aus den jüngsten Ereignissen. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, ebenfalls von der SPD, sagte im SWR, Europa müsse darüber jetzt "sehr scharf nachdenken". Es gehe um die Frage, "wie wir alle einbeziehen, wie unsere Entscheidungsprozesse sind und wie wir gemeinsam wieder auf einen vernünftigen Konsens kommen können und damit auch international stärker handlungsfähig werden". Jetzt habe man noch einen "zweiten Weckruf nach dem Brexit" erhalten. Es sei ein grundsätzliches Problem nicht nur der EU-Handelspolitik, dass immer mehr Nationalismus und Regionalismus die Diskussion bestimmen. Solange das der Fall sei, werde man auch nicht mehr international handlungsfähig sein: "Wir müssen wegkommen von den nationalen Egoismen und die grassieren in der Tat deswegen, weil wir so viele rechtspopulistische Strömungen haben."

"Das Erfolgsmodell Handelspolitik darf nicht zum Spielball von regionalen und parteipolitischen Interessen werden."

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff von der FDP, forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Donnerstag eine Stärkung der EU. Für Fragen der Handelspolitik müsse Brüssel alleine zuständig sein. "Das Erfolgsmodell Handelspolitik darf nicht zum Spielball von regionalen und parteipolitischen Interessen werden, so wie es jetzt bei den Sozialisten der Wallonie geschehen ist." Wenn jeder über alles abstimmen wolle, "dann klappt am Ende gar nichts mehr", warnte Lambsdorff.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei von der EVP im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), bezeichnete das Platzen des Gipfels im Radiosender HR Info als "Schlamassel". "Es kann nicht sein, dass eine kleine Region ganz Europa blockieren kann", sagte er mit Blick auf die Wallonie. Zugleich zeigte sich Weber überzeugt, dass CETA noch vor Jahresende unterzeichnet werden wird.

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