Nicht automatisch die Nummer eins: Wie Merkel und Kohl ins Kanzleramt kamen
Sechs Männer und zwei Frauen standen der CDU bisher vor. Fünf von ihnen schafften es ins Kanzleramt – nicht immer auf Anhieb wie Adenauer: Manche wurden verspottet oder mussten warten
Kann Laschet Kanzler?“, „Heißt der nächste Kanzler Laschet? Seit der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen jüngst zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt wurde, ist klar, was ihn erwartet: Er wird nach allen Seiten hin durchleuchtet und auf seine Kanzlertauglichkeit abgeklopft. Wie seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Mit der Wahl zur Parteichefin 2018 galt Angela Merkels Wunschnachfolgerin schon für viele als natürliche Kanzlerkandidatin. Und lieferte dann ein Beispiel dafür, dass der Vorsitz kein Automatismus für dieses Amt ist. 2019 kündigte sie ihren Rückzug an. Von acht Parteichefs seit Konrad Adenauer hatte sie die zweitkürzeste Amtszeit.
Woran sie scheiterte? Sie musste Zweiflern zeigen, dass sie anders ist als Merkel, durfte aber deren Anhänger nicht vergraulen. Beides ging schief. Auch wegen der Arbeitsteilung: Wenn eine Bald-nicht-mehr-Kanzlerin und eine Noch-nicht-Kanzlerin nebeneinander agieren, entsteht ein Machtvakuum. Kramp-Karrenbauer konnte an der Seite Merkels, die nach wie vor beliebt ist, keine Führungsstärke aufbauen, ebenso wenig einen Wall gegen die Angriffe von innen und außen.
Als es Merkel an die Spitze der CDU schaffte, war die Ausgangslage anders: Ihr Mentor Helmut Kohl war angeschlagen, sie übernahm die Partei 2000 am Weg in die Opposition. Zunächst als „Übergangslösung“ abgetan, hat es die promovierte Physikerin 2005 zur Kanzlerin geschafft. Und regiert seit fast 16 Jahren – fast so lange wie ihr Vorgänger, der auf 5.869 Amtstage kam. Einen Rekord, den sie nur einholen kann, wenn sich die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Wahl am 26. September hinauszögern und Merkel bis Ende Dezember geschäftsführend im Amt bleibt.
"Provinzler" aus der Pfalz
Was sie und Kohl noch verbindet: Auch er konnte nicht einfach als Kanzler durchstarten. Einst als „Provinzler“ aus der Pfalz verlacht, verlor er 1976 die Wahl gegen Helmut Schmidt (SPD), 1980 trat er nicht an. Erst 1982 kam Kohl durch ein Misstrauensvotum an die Regierung: Die Union stellte die Vertrauensfrage im Bundestag, Schmidt stürzte und Kohl wurde Kanzler. Andere wie Ludwig Erhard hatten 14 Jahre ein Ministeramt inne, ehe sie Kanzler wurden (Mehr zur Geschichte der CDU-Chefs siehe weiter unten).
Armin Laschet wird nicht so lange warten - und sich anders als seine Vorgängerin nicht Jahre neben einer beliebten Kanzlerin warmlaufen müssen. In acht Monaten wählt Deutschland, bis Ostern wollen CDU/CSU einen Kanzlerkandidaten küren. Für den 59-Jährigen heißt es bis dahin: Keine groben Patzer machen, Debatten um seine mageren Umfragewerte aussitzen. Darin soll er bekanntlich gut sein. Ein Talent, das so manche Kanzlerschaft über viele Jahre hin sicherte.
Konrad Adenauer: Gründungsvater und erster Kanzler der BRD
Konrad Adenauer, Mitbegründer der CDU, war als erster Bundeskanzler der BRD ab 1949 für Wirtschaftswunder wie politische Stabilität verantwortlich. 1963 war nach 14 Jahren Schluss, Adenauer 87 Jahre, aber nicht bereit: „Etwas anderes, als Kanzler zu sein, konnte er sich nicht vorstellen“, schreibt sein Biograf Henning Köhler. Den CDU-Vorsitz hatte er noch bis 1966 inne.
Ludwig Erhard: An der Spitze - ohne Parteibuch
14 Jahre, so lange wie Adenauer regierte, war Ludwig Erhard Wirtschaftsminister, ehe er 1963 Kanzler wurde und für drei Jahre mit der FDP regierte und dann für ein Jahr den CDU-Vorsitz übernahm – angeblich ohne Parteibuch.
Kurt Georg Kiesinger: Eine Ohrfeige für den Kanzler
Ab 1967 führte Kiesinger die CDU und als Erster eine Große Koalition mit der SPD an. Für seine frühere NSDAP-Mitgliedschaft gab’s viel Kritik und von einer Aktivistin eine Ohrfeige eine Ohrfeige verpasst. 1969 gewann er zwar die Wahl, aber Willy Brandt wurde mit einer Mehrheit von SPD und FDP Kanzler.
Rainer Barzel: Der Beinahe-Kanzler
Rainer Barzel, seit 1971 CDU-Chef und Oppositionsführer im Bundestag, scheiterte 1972 mit einem Misstrauensantrag gegen Willy Brandt bei dem Barzel zum Kanzler gewählt hätte werden sollen – zwei Stimmen fehlten.
Helmut Kohl: Langzeit-Vorsitzender und Kanzler der Einheit
Den Parteivorsitz musste der Mann aus der Pfalz 1971 nach einem internen Duell Rainer Barzel überlassen. Erst nach dessen Niederlage wurde Kohl 1973 CDU-Chef und lenkte ein Vierteljahrhundert lang die Geschicke der Christdemokraten. Die Kanzlerschaft fiel ihm 1982 nach einem Misstrauensvotum gegen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) zu. Sie war vor allem von der Wiedervereinigung geprägt. Der „Enkel Adenauers“, als den er sich selbst bezeichnete, pflegte einen patriarchalischen Führungsstil. Nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 litt sein Ansehen in den folgenden Jahren unter der CDU-Schwarzgeldaffäre. Als Konsequenz gab er nach 25 Jahren den Vorsitz ab.
Wolfgang Schäuble: Durch Spendenaffäre gebremst
Nachdem Kohl wegen der Wahlniederlage auf den Vorsitz verzichtete, wurde Schäuble als „Wunschnachfolger“ an die Parteispitze gewählt. Den Sprung ins Kanzleramt schaffte er aber nicht. Er geriet ebenfalls in den Strudel der Spendenaffäre und zog sich unter Druck zurück von der Spitze.
Angela Merkel: Von "Kohls Mädchen" zur CDU-Chefin
Als „Kohls Mädchen“ und ob ihrer Herkunft als „Zonen-Angie“ verspottet, rief die damalige Generalsekretärin Ende 1999 inmitten der Spendenaffäre in einem Zeitungsbeitrag zur Abnabelung von Kohl auf. Monate später wurde sie nach Schäubles Rückzug erste CDU-Chefin, konnte aber nicht als Kanzlerkandidatin durchstarten. Sie überließ das 2002 noch CSU-Chef Edmund Stoiber, ehe sie 2005 antrat an und als erste Bundeskanzlerin Geschichte schrieb.
Annegret Kramp-Karrenbauer: Die machtlose Nachfolgerin
Nachdem Angela Merkel 2018 ihren Rückzug vom Vorsitz ankündigte, setzte sich Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Delegierten-Wahl gegen Friedrich Merz durch. Sie konnte die Partei aber nie einen, hatte mit der Ämtertrennung zu kämpfen. 2019 erklärte sie ihren Rücktritt, blieb bis zuletzt aber interimistisch CDU-Chefin.
Armin Laschet: Der nächste Kanzler?
Zu nett, zu lasch: Armin Laschet ist oft unterschätzt worden, setzte sich aber am Ende immer durch. Etwa 2017 als er überraschend die Wahl in Nordrhein-Westfalen gewann. Auch vor der Abstimmung zum neuen CDU-Chef sah es so aus, als hätte er keine Chance. Ob er der nächste Kanzler wird? Die Union will sich bis Ostern entscheiden.
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