Causa Tönnies wird für CDU-Kanzleranwärter Laschet zum Lackmustest
Armin Laschet will CDU-Chef und Kanzler werden – in der Corona-Krise hätte er sich profilieren können, das ging nicht auf. Nun hat er erneut einen Hotspot in NRW und steht unter Druck
Vom Lockerer zum Lockdowner – ein beliebtes Wortspiel, das Armin Laschet über sich dieser Tage lesen muss. Es sind bittere Zeiten für den Ministerpräsidenten von Nordrhein Westfalen (NRW). Er, der früh für eine Aufhebung der Corona-Maßnahmen plädierte, muss sie erneut setzen. Der Grund: Die Zahl der Neuinfektionen im Zerlegebetrieb der Großschlachterei Tönnies. Mehr als 1.500 Menschen haben sich dort nachweislich mit Corona infiziert – wie viele noch dazu kommen, wird sich zeigen. Auch wie sich Laschets politische Ambitionen entwickeln.
Im Gespann mit Spahn
Diese sahen vor Monaten noch vielversprechend aus – ein Rückblick: Zufrieden lächelnd sitzt er an einem Faschingsdienstag vor Hunderten Hauptstadtjournalisten, wohlwissend, dass ihm ein Coup gelungen ist. Denn an seiner Seite: Jens Spahn, der sich vom Merkel-Zwischenrufer zum anpackenden Gesundheitsminister gewandelt hatte. Die beiden wollen die CDU anführen, erklären sie. Die Stimmung ist gut. Es wird gelacht, gescherzt – von „Batman und Robin“ ist die Rede. „Joker“ Friedrich Merz, der den Spitzenposten auch beansprucht, muss vor der Tür warten.
Das Duo aus dem christlich-sozial geprägten „Merkelianer“ Laschet und dem liberal-konservativen Spahn kommt bei Kommentatoren gut an. Es könnte die Lager in der CDU, die sich zuletzt oft feindlich gegenüberstanden, einen.
Hotspot Heinsberg
Wäre da nicht dieses Virus ausgebrochen: Das Kandidatenrennen und der Parteitag im April wurden abgesagt. Laschet hatte im Kreis Heinsberg, wo der Karneval als Brandbeschleuniger wirkte, einen Hotspot im Land. Er ließ Schulen, Kindergärten schließen, führte Maskenpflicht und Kontaktsperre ein. Laschet war omnipräsent, Merz, der kein ausführendes Amt innehat, von der Bildfläche verschwunden. Der Aachener hätte sich als Krisenmanager profilieren können. Das ist nicht passiert.
In den Umfragen zur Kanzlerkandidatur liegt er hinter Merz und CSU-Chef Markus Söder, der bisher nicht kandidieren will. Auch zu Hause verliert Laschet an Zustimmung. Im „NRW-Trend“ zeigten sich nur 46 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden, 19 Prozent weniger als im April.
Pech und Pannen
Was ist schief gelaufen? Nein, es war nicht die falsch aufgesetzte Maske zu Pandemiebeginn, eher eine Verkettung von Ereignissen, Pannen und Kommunikationsfehlern.
Dabei wäre seine Vorgehensweise keine schlechte: zuhören, abwägen und dann Entscheidungen treffen. Aber in einer Krise, wo es keine Erfahrungswerte gab, dafür Bilder und Zahlen aus Ländern, wo Tausende starben, stellten sich die Menschen hinter jene, die schnell handelten. Ob das richtig, falsch, voreilig war, spielte da kaum eine Rolle.
Laschet bekam die Rolle des „Lockerers“. Zuerst ließ er Maßnahmen zu, startete aber immer wieder Vorstöße in Richtung Öffnung, kassierte dabei eine Rüge der Kanzlerin („Öffnungs-Diskussions-Orgien“). Seine von einer PR-Agentur begleitete Studie in Heinsberg, die Argumente für Lockerungen liefern sollte – wurde von Wissenschaftlern zerpflückt und letztlich zum Desaster.
Fahriger Auftritt
Genauso wie ein Talkshow-Auftritt, wo er nervös und fahrig wirkte, über „Infektionsdebatten“ schimpfte. „Nach dieser Sendung wird Laschet niemals Kanzler“ schrieb der Tagesspiegel. Vielleicht etwas ungerecht, denn egal, was er tat und sagte: Es wurde stets auf seine politischen Ambitionen ausgelegt. Andererseits weiß er als Profi, dass er deswegen unter spezieller Beobachtung steht.
Ob sich die Stimmung für Laschet bis zum Parteitag im Dezember noch dreht? Es sieht nicht gut aus. Auch weil er mit den Corona-Ausbrüchen bei Tönnies eine Art Super-GAU erlebt: Nach anfänglichem Zögern ließ er nun doch Einschränkungen verhängen, Zehntausende Menschen sind betroffen. Viele davon sind wütend, weil sie die Folgen tragen, die der Konzern mitverursacht hat.
Dass Laschet Rumänien und Bulgaren verantwortlich machte, die mit ihrer Einreise das Virus verbreitet hätten, sorgte für Empörung. Und Angriffsfläche: Die miserablen Arbeitsbedingungen bei Tönnies sind lange bekannt. Zudem dürfte dort die Kühlungsanlage zur Verbreitung beigetragen haben. Dass Tönnies laut Lobbycontrol auch ein Großspender der CDU ist, macht die Optik noch fataler.
Was macht Spahn?
Armin Laschet steht unter Druck, der mit Näherrücken des Parteitages größer wird. Da stellt sich nicht nur die Frage, wie er bis dahin aus der Misere rauskommt, sondern auch, was sein Sparringpartner Jens Spahn nun macht? Als Gesundheitsminister gab's zwar anfangs wegen dem Chaos um Schutzmasken Kritik, doch die scheint verflogen. Bei Laschet ist zudem nicht absehbar, wie sich die Lage in Nordrhein-Westfalen weiter entwickelt. Genau das könnte dieser als Exit-Strategie nützen, sollte er den Traum von CDU-Chefposten und Kanzlerschaft schwinden sehen. Er könnte etwa gesichtswahrend argumentieren, die Lage vor Ort in den Griff bekommen zu müssen. Die Menschen bräuchten ihn dort und nicht im Kanzleramt.
Spinnt man den Gedanken weiter, könnte er Spahn vorlassen, der sich als CDU-Chef bewerben – und, wenn es die Umfragen wollen, Söder als Kanzlerkandidaten vorschlagen könnte. Wie die Zeit berichtet, gibt es solche Gespräche in der CDU. Dort müssten auch die wirtschaftsliberalen, konservativen Kräfte mitziehen, die bisher Friedrich Merz favorisiert hatten. Ob die umfragestarke CDU (ca. 40 Prozent) der kleinen Schwesterpartei den Kanzler überlässt? Ist ein Duo Spahn-Söder für Merkel-Wähler akzeptabel? Viele offene Fragen. Auch die, ob Laschet mitspielen würde.
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