Ex-Regierungspartei gewinnt Wahl

Protesters try to remove a metal fence outside the National Palace of Culture, where the political parties in the elections will be holding news conferences, in Sofia May 12, 2013. Demonstrators gathered to protest against the political system in the country, local media reported. The rightist GERB party held the lead in a Bulgarian election on Sunday marred by suspicions of rigging and might be able to control a slim majority in parliament with the help of the nationalists, exits polls showed. REUTERS/Pierre Marsaut (BULGARIA - Tags: POLITICS ELECTIONS CIVIL UNREST)
Die Partei von Ex-Premier Bojko Borissow kommt auf rund 30 Prozent der Stimmen. Der Wahlsieg der GERB brachte in Sofia die Demonstranten auf die Straße.

Bulgariens ehemalige Regierungspartei GERB hat die vorgezogene Parlamentswahl in dem EU-Land nach vorläufigen amtlichen Angaben gewonnen. Die bürgerliche Partei des im Februar gestürzten Regierungschefs Boiko Borissow erhielt am Sonntag 30,7 Prozent der Stimmen. Das teilte die Zentrale Wahlkommission gegenüber der APA am Montag nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmzettel mit. Die Sozialisten erhielten 27,2 Prozent der Stimmen. Den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde in das Parlament schafften auch die Bewegung der türkischen Minderheit DPS (10,6 Prozent) und die nationalistische Ataka (7,4 Prozent). Da keine Partei die absolute Mehrheit im Parlament erreichte, zeichnet sich allerdings eine schwierige Regierungsbildung ab.

Der Wahlsieg der GERB brachte in Sofia die Demonstranten auf die Straße, die schon im Februar den Rücktritt der konservativen Regierung unter Boiko Borissow (GERB) erzwungen hatten. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.

Gefälschte Stimmzettel

Der Urnengang war von massiven Betrugsvorwürfen überschattet. Einen Tag vor der vorgezogenen Parlamentswahl hatten Ermittler in einer privaten Druckerei unweit der Hauptstadt 350.000 gefälschte Stimmzettel beschlagnahmt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur BGNES unterhält der Druckereibesitzer enge Verbindungen zu Borissow. Die Staatsanwaltschaft gab dazu keinen Kommentar ab.

Die Opposition bezichtigte Borissows Partei und seinen Wahlkampfmanager Zwetan Zwetanow des Betrugs. "350.000 Stimmzettel entsprechen zehn Prozent der erwarteten Wahlbeteiligung", sagte der Parteichef der Sozialisten, Sergej Stanischew. "So einen Skandal hat es in Bulgarien noch nie gegeben." Der frühere Innenminister Zwetanow war Ende April schon in einen Skandal um angeblich abgehörte Telefonate von Parteigegnern und Geschäftsleuten verwickelt.

Schwierige Regierungsbildung

Die konservative Partei GERB des im Februar im Zuge von Sozialprotesten gestürzten Regierungschefs Borissow gewann zwar die Wahl. Sie ist mit 30,7 Prozent der Stimmen jedoch weit von einer eigenen Mehrheit in der Volksversammlung entfernt. Die Sozialisten (27,2 Prozent) warfen der GERB Wahlmanipulation vor und sprachen ihr das Recht zur Regierungsbildung ab. Stattdessen wollen sie gemeinsam mit kleinen Parteien eine "Programmregierung zur Rettung des Landes" schmieden.

GERB-Vertreter kündigten an, ihre Partei wolle wieder ein Minderheitskabinett bilden. Sozialisten-Chef Sergej Stanischew erteilte diesem Vorhaben eine Absage. "Sie (GERB) ist mit manipulierten und gekauften Stimmen zahlenmäßig zur ersten Kraft geworden, doch das gibt ihr nicht das Recht, zu regieren", erklärte er. Seine Partei wolle ein Bündnis bilden etwa mit der liberalen Bewegung der türkischen Minderheit und Vertretern außerparlamentarischer Parteien.

Schon in der Wahlnacht hatten die Sozialisten die Bürgerlichen aufgefordert, auf die Bildung einer neuen Regierung zu verzichten, um das Land nicht "weiter zu destabilisieren". Straßenproteste gegen hohe Stromrechnungen, geringe Einkommen sowie die weitverbreitete Korruption hatten die Minderheitsregierung der GERB im Februar gestürzt.

Der Schwarzmeer-Anrainer Bulgarien gilt als ärmstes Mitgliedsland der Europäischen Union. Von den gut sieben Millionen Einwohnern lebt etwa jeder Fünfte in Armut, Korruption und Kriminalität gehören zum Alltag vieler Menschen. Mit einem Bruttomindestlohn von umgerechnet 159 Euro im Monat ist Bulgarien ein Billiglohnland.

Im Gegensatz zu 2009 hat Bulgariens Wahlsieger Boiko Borissow jetzt ein angeschlagenes Image. Der frühere Feuerwehrmann, Leibwächter und Bürgermeister der Hauptstadt Sofia gewann zwar zum zweiten Mal eine Parlamentswahl in Bulgarien. Allerdings hatten er und sein bürgerliches Kabinett im Februar auf Druck der Straße die Regierungsverantwortung vorzeitig aufgegeben.

Der 53-Jährige mit den starken Muskeln polarisiert die Bulgaren. Seine Anhänger vergöttern ihren tatkräftigen "Bat' Boiko" (Bruder Boiko). Sie sind begeistert vom männlichen Habitus und der Entschlossenheit des Karate-Kämpfers mit schwarzem Gürtel.

Seine politischen Gegner werfen Borissow dagegen vor, wie ein "Diktator" oder "Mafiaboss" aufzutreten. "Borissow regierte den Staat wie einst seine Sicherheitsfirma", kritisiert Sozialisten-Chef Stanischew den autoritären Führungsstil Borissows, dessen GERB-Partei im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehört.

Borissows Kritiker spotten über seine Ausbildung als Feuerwehrmann ohne Fremdsprachenkenntnisse, die "völlig ungeeignet" für einen Spitzenpolitiker in einem EU-Land sei. Borissow selbst steht dazu, dass er im Städtchen Bankja bei Sofia in einfachen Verhältnissen geboren und aufgewachsen ist: "Während ich Schmalzbrot aß und mit abgetretenen Turnschuhen Fußball spielte, wurde Stanischew zur Schule gefahren", sagt er mit Blick auf den Sozialisten-Chef. Dessen Vater war einst ZK-Sekretär der damaligen kommunistischen Staatspartei.

Während Borissows Amtszeit als Regierungschef lobten Schmeichler und Soziologen seinen "politischen Instinkt". Borissow sagt, dass er als Bodyguard des gestürzten einstigen Diktators Todor Schiwkow sowie von Ex-König Simeon II. viel über die Politik gelernt habe. Borissow ist geschieden. Er hat eine Tochter.

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