In Österreich gibt es ebenso wie in fünf anderen EU-Staaten keinen gesetzlichen Mindestlohn. Hier legen Kollektivverträge der einzelnen Branchen fest, wie viel die Arbeitnehmer mindestens verdienen müssen. Nur zwei Prozent der heimischen Arbeitnehmer fallen laut Angaben des Österreichischen Gewerkschaftsbundes nicht unter Kollektivvertrag.Entsprechend gering fällt die Begeisterung von Seiten aller österreichischen Sozialpartner aus, ein existierendes erfolgreiches System umzukrempeln. Ähnlich starke Tarifsysteme haben Schweden, Finnland und Dänemark. Deren Gewerkschaften fürchten ebenso wie deren Regierungen, dass ihre gut funktionierenden Systeme mit einer EU-weiten Regelung untergraben werden könnten.
Und sogar der Europäische Gewerkschaftsbund hält fest: „Gesetzliche Mindestlöhne sollten nicht in Ländern eingeführt werden, deren Sozialpartner sie nicht für notwendig halten.“ Mehrheitlich aber tendieren die europäischen Gewerkschaften für einen Rahmen für europäische Mindestlöhne.
Den Befürchtungen der Gegner hält der sozialdemokratische EU-Kommissar Schmit entgegen: „Wir werden unter keinen Umständen erzwingen, dass diese Länder ihre alten und gut etablierten Traditionen ändern müssen.“
Und ein kategorisches Nein zum EU-weiten gesetzlichen Mindestlohn kommt von den Wirtschaftskammern und der europäischen Industrie.„Lohnvereinbarungen fallen unter nationale Kompetenz und werden am besten von den Sozialpartnern auf nationaler Ebene getroffen“, führt Markus Beyrer, Generaldirektor des Industrielobbyverbandes BusinessEurope gegenüber dem KURIER aus. „Löhne sollten nicht in ein Werkzeug zur Umverteilung von Wohlstand verwendet werden, das muss über Steuern und soziale Sicherheitsnetze geschehen.“
Vorerst aber ist es noch lange nicht so weit: Zunächst will die Kommission alle Sozialpartner konsultieren, ob sie eine EU-weite Regelung für nötig halten. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Kommission selbst einen Gesetzesvorschlag unterbreiten – vermutlich noch vor Sommerbeginn.
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