Sunak zu beschlossenen Ruanda-Abschiebungen: "Da schwingt Mitgefühl mit"

Sunak zu beschlossenen Ruanda-Abschiebungen: "Da schwingt Mitgefühl mit"
Nach Monaten hat das britische Parlament das Gesetz zum Asylpakt mit Ruanda genehmigt. Die Kritik im In- und Ausland ist riesig, doch Sunak sieht einen Erfolg im Kampf gegen illegale Migration.

Wochenlang war diskutiert worden, seit Monaten hing das Gesetz in der Luft. Bis Rishi Sunak am Montag vor die Presse trat. "Genug ist genug", verkündete der britische Premier geladen. Seit Jänner hatte das House of Lords, das Oberhaus des britischen Parlaments, sein Vorhaben, illegal eingereiste Asylwerber ohne Verfahren nach Ruanda abzuschieben, wegen offener rechtlicher Fragen blockiert. Sunak hatte genug: "Das Parlament wird heute Abend abstimmen, egal, wie spät es wird. Keine Ausreden mehr - diese Flüge gehen nach Ruanda."

Rund 17 Stunden später, gegen 2.00 Uhr morgens, war die Schlacht dann gewonnen: Das Oberhaus stimmte dem entscheidenden Gesetz zu, das Ruanda zu einem sicheren Drittstaat erklärt. Nach stundenlangen Verhandlungen hatten etliche oppositionelle und unabhängige "Lords" nachgegeben - weil Sunak im Gegenzug versprochen hatte, eine Ausnahme für afghanische Flüchtlinge einzubauen, die vor der Taliban-Übernahme in ihrer Heimat gegen die Terrororganisation gekämpft hatten. Noch am Dienstag soll das Gesetz durch die Unterschrift König Charles' III. in Kraft treten.

Zwei Jahre und ebenso viele Regierungschefs vergingen, bis das Parlament Abschiebungen nach Ruanda möglich machte

Damit dürfte der Weg für Abschiebungen nach Ruanda endgültig frei sein. Es war politisch eine wahrlich schwere Geburt: Bereits vor zwei Jahren hatte der damalige Premier Boris Johnson einen Pakt mit Ruanda geschlossen, um illegal eingereiste Migranten in den ostafrikanischen Staat auszufliegen und ihr Asylverfahren dort abzuwickeln - ohne Möglichkeit auf die Rückreise nach Großbritannien. Die autokratische Regierung Ruandas erhält seither jährlich Ausgleichszahlungen in Millionenhöhe.

Sunak zu beschlossenen Ruanda-Abschiebungen: "Da schwingt Mitgefühl mit"

Der britische Ex-Premier Boris Johnson (l.) neben Paul Kagame, dem Präsidenten von Ruanda.

Zwei Regierungschefs später lehnte das britische Höchstgericht das Vorhaben im November einstimmig ab, weil anzunehmen sei, dass die Asylwerber in Ruanda kein faires Verfahren erwarten würde. Doch nun, wo das Land als sicherer Drittstaat eingestuft wurde, können britische Richter die Abschiebungen nur noch in Ausnahmefällen ablehnen.

Den bisher einzigen Abschiebungsflug nach Ruanda hatte im Sommer 2022 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt. Eine Entscheidung, die Sunak fortan schlicht "ignorieren" will - auch, wenn Völkerrechtler warnen, Großbritannien könnte dadurch später gezwungen werden, bereits abgeschobene Migranten zurückzunehmen. Die ersten Flieger sollen laut Sunak "in den nächsten zehn bis zwölf Wochen", also spätestens Anfang Juli, abheben.

Wie Beamte aus dem britischen Innenministerium dem Guardian erzählten, soll seit Monaten eine Liste mit rund 350 geeigneten Asylwerbern vorliegen, die "das geringste Risiko darstellen, ihre Abschiebung erfolgreich anzufechten". Doch Anwälte erklärten gegenüber der Zeitung, dass sie sehr wohl Möglichkeiten für einige Betroffene sehen, gegen ihre Ausweisung vorzugehen.

Sunak sieht sich durch ertrunkene Flüchtlinge bestätigt

Dienstagfrüh, nur Stunden nach der Annahme des Gesetzes, ertranken laut französischen Behörden drei Männer, eine Frau und ein Kind beim Versuch, den Ärmelkanal mit einem Boot zu überqueren. Sunak sah sich durch den “tragischen Vorfall” erneut bestätigt. Die Tory-Regierung verkauft den Ruanda-Deal als Abschreckungsmethode, um Migranten daran zu hindern, die gefährliche Route auf sich zu nehmen. “Weil bei allem, was wir tun”, so Sunak, “ein gewisses Maß an Mitgefühl mitschwingt.”

Kritiker im In- und Ausland halten das für eiskalten Zynismus. Gerade wegen der fragwürdigen Menschenrechtssituation im autokratisch regierten Ruanda. Der Österreicher Volker Türk etwa, UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, sieht “einen gefährlichen Präzedenzfall”, durch den “die Verantwortung für Flüchtlinge verlagert und die britische Justiz eingeschränkt wird”.

Tatsächlich sprangen bereits mehrere Politiker im Ausland auf den Tory-Zug auf und hoffen auf ähnliche Pakte mit Staaten in Ostafrika oder auf der arabischen Halbinsel. Darunter Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP):

Beamter im Innenministerium sieht "keine Beweise für eine abschreckende Wirkung"

Matthew Rycroft, der für die Umsetzung des Ruanda-Plans zuständige Beamte im britischen Innenministerium, hatte zudem schon vor Wochen bei einer Befragung im Unterhaus erklärt, es gebe "keine Beweise dafür, dass die Abschiebungen eine abschreckende Wirkung haben werden". Trotz des lange angekündigten Ruanda-Paktes kamen in diesem Jahr bereits 4.600 Migranten über den Ärmelkanal, so viele wie nie zuvor in einem Quartal.

Jeder nach Ruanda abgeschobene Asylwerber koste das Königreich rund 1,8 Millionen Pfund (2,09 Mio. Euro). Zudem überwies London dem ostafrikanischen Staat bisher bereits 290 Millionen Pfund (33,7 Mio. Euro), ohne einen einzigen Flieger geschickt zu haben. Er bezweifle daher, so Rycroft trocken, "dass es sich um ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis handelt".

Erwartbar scharf ist auch die Kritik aus den Reihen der Opposition: “Die Kosten dieses Schritts werden nicht nur in Geld, sondern in prinzipienloser Degradierung gemessen”, hieß es in einer Mitteilung der Labour-Partei, die laut Umfragen bei den kommenden Wahlen in Großbritannien klar auf dem ersten Platz landen dürfte.

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