Ruanda-Deal: Sunaks politisch riskanter Plan ging auf

Ruanda-Deal: Sunaks politisch riskanter Plan ging auf
Nach dem Nein des Obersten Gerichtshofs ließ Rishi Sunak das Parlament darüber abstimmen, Asylverfahren doch nach Ruanda auszulagern. Wie es jetzt weitergeht.

19 Monate und zwei Premierminister sind vergangen, seit Boris Johnson einen Pakt mit Ruanda unterzeichnete, um Flüchtlinge ins 6.400 Kilometer entfernte Ostafrika abzuschieben. Die Asylfrage wurde für Premier Rishi Sunak zum Prüfstein. Am Dienstag stimmte das Parlament über den Deal ab,  313 Abgeordnete waren dafür, 269 dagegen. Sunaks politisch riskanter Plan ging auf, doch die Probleme bleiben. Was die Abstimmung für das umstrittene Asylverfahren und Premier Sunak bedeutet.

Worum ging es bei der Ruanda-Abstimmung?

Der britische Premier Rishi Sunak ließ am Dienstag über eine Gesetzänderung abstimmen, die Ruanda zu einem sicheren Drittstaat erklären würde. Damit soll es möglich werden, Asylwerber, die auf irregulärem Weg nach Großbritannien kommen, nach Ruanda auszufliegen. Sie sollen dann dort um Asyl ansuchen.

Gab es dazu nicht gerade ein Gerichtsurteil?

Ja, im November hat der Oberste Gerichtshof den Ruanda-Plan für gesetzeswidrig erklärt. Die Höchstrichter zeigten sich besorgt, dass Geflüchtete in Ruanda kein faires Verfahren erwarte und sie in unsichere Länder weitergeschickt werden könnten.

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Umgeht Sunak nun die Menschenrechte?

Die Novelle sieht vor, dass die Minister allein darüber entscheiden, ob sie einer einstweiligen Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nachkommen. Damit setzt sie Abschnitte des britischen Menschenrechtsgesetzes außer Kraft.

Was sagen Kritiker zu dem Vorhaben?

Die Opposition nennt den Plan unmoralisch, teuer und "schlicht undurchführbar". 

Ruanda-Deal: Sunaks politisch riskanter Plan ging auf

Für den Erzbischof von Canterbury verstößt er "gegen die Natur Gottes".  

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Und auch König Charles soll die Pläne privat kritisiert haben. Selbst aus den eigenen Reihen gibt es Kritik: Liberaleren Torys geht der Plan zu weit; sie haben Sorge um den Ruf des Landes. Dem rechten Parteiflügel geht er dagegen nicht weit genug. Die Gruppe um Ex-Innenministerin Suella Braverman will den Austritt aus der Menschenrechtskonvention, damit Asylsuchende dort nicht mehr Klage gegen einlegen können.

Wie kam es überhaupt zu der Ruanda-Idee?

Die Torys wollen seit Jahren die Ärmelkanal-Überquerungen verhindern. Laut Guardian hätten sie das seit 2018 auf 43 Wegen probiert. Im April 2022 verkündete der damalige Premier Boris Johnson, der Ruanda-Plan würde "abscheuliche Menschenschmuggler" stoppen, die das Meer in einen "Wasserfriedhof" verwandeln würden.

Wie viele Personen überqueren den Ärmelkanal?

Vergangenes Jahr gab es 45.755 Überquerungen; ein deutlicher Anstieg von 28.526 Übersetzungen gegenüber 2021. Heuer kamen bis dato rund 29.090 Menschen auf kleinen Booten an.

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Was kostet England dieser Pakt?

Die frühere Innenministerin Braverman rechnete vor, dass die Maßnahme pro Asylwerber umgerechnet 195.000 Euro kostet; 73.000 Euro mehr, als würde die Person in England versorgt werden. 

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Tory-Hardlinerin Sue-Ellen „Suella“ Braverman gehen Sunaks Pläne nicht weit genug

Insgesamt hat Großbritannien bereits 280 Millionen Euro an Ruanda gezahlt, 50 weitere Millionen werden kommendes Jahr überwiesen.

Kamen bereits Asylwerber in Ruanda an? 

Nein. Am 14. Juni 2022 wurde der erste und bis dato einzige geplante Flug wenige Minuten vor Abflug gestrichen, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Minute eine einstweilige Verfügung erlassen hatte.

Wo werden Asylsuchende derzeit untergebracht?

Sie bekommen eine vorübergehende Unterkunft zugeteilt, beispielsweise in einem Hotel.

Warum ist die Causa entscheidend für Sunak?

Kommendes Jahr wird gewählt und laut einer YouGov-Umfrage ist die Einwanderung nach der Wirtschaft das wichtigste Thema. Sunaks Partei liegt in Umfragen 21 Punkte hinter der Labour-Partei zurück. Sunak hat zu Jahresbeginn fünf Versprechen für 2023 gegeben. Eines davon: Er werde die Boote stoppen.

Mit der gewonnen Abstimmung dürfte der Streit über den Deal aber nicht beigelegt sein. Der Premier hat sich nur Zeit erkauft.

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