Brexit wird wieder verschoben: Wen das freut - und wen nicht
Die 28 EU-Staaten haben sich beim EU-Gipfel in der Nacht auf Donnerstag auf eine Verlängerung der Austrittsfrist der Briten bis 31. Oktober geeinigt. Schon im Vorfeld gab es unterschiedliche Ansichten bezüglich der Verlängerung.
Tusk: "Es ist immer noch alles möglich"
EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht das Ergebnis des Sondergipfels zur Brexit-Verlängerung bis Ende Oktober pragmatisch. "Ich hoffe auf eine endgültige Lösung bis Oktober. Aber es ist immer noch alles möglich", sagte Tusk Donnerstag in den frühen Morgenstunden auf die Frage, ob er eine weitere Verlängerung nach Oktober ausschließe.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist sich sicher, Großbritannien werde nicht von den vertraglichen Verpflichtungen abweichen, die vorgesehen seien. Zu "Stimmen, die sagten, das Vereinigte Königreich wolle Entscheidungen in den nächsten Jahren blockieren", meinte Juncker lakonisch, "das ist ja auch nichts Neues".
Junker erwartet sich loyales Verhalten von Briten
Außerdem könnten die nächsten anstehenden großen Entscheidungen wie die Benennungen des Präsidenten des Rates und der Kommission "ja mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden. Sogar Handelsverträge können das. Also die britischen Möglichkeiten, unsere Entscheidungen zu blockieren, sind ohnehin sehr begrenzt", meinte der launige Juncker. Auch der Ratspräsident erwartet sich von den Briten ein loyales Verhalten nach den Europawahlen.
Tusk sagte, es werde einen Brexit mit einem Deal geben, "mir wäre ein Deal ohne Brexit lieber gewesen". Jedenfalls könne Großbritannien mit der nunmehrigen Verlängerung bis Oktober seine gesamte Strategie noch mal überdenken. "Vielleicht ziehen sie auch den Artikel 50 zurück und blasen den Brexit vollständig ab", meinte der Ratspräsident. Er wollte die Verlängerung so flexibel wie möglich haben. "Sie ist ein bisschen kürzer ausgefallen, als ich erwartet habe. Aber das ist immer noch ausreichend, die bestmögliche Lösung zu finden. Bitte verschwenden Sie diese Zeit nicht".
Juncker sagte, er wolle nicht täglich nur über den Brexit lesen. Jedenfalls "weiß jeder, dass ein Deal ohne Vertrag eine Katastrophe wäre. Mit gefällt die heute getroffene Entscheidung mit dem Schlussdatum 31. Oktober".
Kurz wollte kurze Veschiebung
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstag in der Früh nach Ende des EU-Gipfels betont, dass die EU-27 alle einen "Hard Brexit verhindern wollten", da ein "ungeordneter Austritt wahrscheinlich enorme negative Auswirkungen für uns alle und vor allem für die Wirtschaft bedeutet hätte." Durch eine "Fristverlängerung bis Ende Oktober" habe man dies verhindert, so Kurz. Die Kehrseite sei, dass Großbritannien "aller Voraussicht nach an der EU-Wahl teilnehmen wird", erklärte der Bundeskanzler.
Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich für eine kurze Verschiebung ausgesprochen. "Um die ganze Debatte des Brexits nicht ins Unendliche zu ziehen", sagte der Bundeskanzler. Herausgekommen, sei dann wie so oft ein Kompromiss, so Kurz.
Van der Bellen: "Der beste Brexit ist kein Brexit"
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat den erneuten Brexit-Aufschub nach dem EU-Sondergipfel am Donnerstag begrüßt. Gleichzeitig meinte das Staatsoberhaupt: "Der beste Brexit ist kein Brexit. Der zweitbeste Brexit ist ein Brexit, wie ihn die EU mit dem Vereinigten Königreich ausgehandelt hat."
"Absolut nicht wünschenswert" sei ein harter Brexit ohne jeglichen Deal, so Van der Bellen in einer Aussendung. Er hoffe, dass die Regierung der britischen Premierministerin Theresa May und das britische Parlament die Zeit bis zum 31. Oktober nutzen, "um zu einem guten Ergebnis zu kommen".
Merkel zeigte sich zufrieden
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich zufrieden, dass die EU-27 einen ungeregelten Brexit abgewendet haben. Dafür habe man gekämpft. Denn trotz der vielen Schwierigkeiten hätten die Europäer gezeigt, dass sie auch in einer so schwierigen Lage zu einem geordneten Verfahren kommen, sagt sie nach Ende des Sondergipfels in der Nacht auf Donnerstag. Premierministerin May habe eine konstruktive Rolle Großbritanniens auch nach der Europa-Wahl zugesagt.
Macron wollte kürzere Frist
Nach Darstellung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron glaubt Theresa May daran, dass sie im britischen Parlament eine überparteiliche Einigung erzielen kann. Dies habe die europäischen Staats- und Regierungschefs schließlich überzeugt, sagt er.
Macron hatte sich in den Beratungen für eine kürzere Frist eingesetzt, während andere EU-Regierungschefs für eine Verlängerung bis Ende 2019 oder März 2020 gewesen waren. Aber ein Kompromiss sei erzielt worden.
Weitere Verlängerungen der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus wären nach Darstellung des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte zunehmend schwierig zu gewähren. Im Hinblick auf die Überprüfung der Lage beim EU-Gipfel im Juni zeigte sich Rutte wenig besorgt. Die Debatte über den Brexit werden dann wahrscheinlich nur kurz, meinte Rutte.
Kommentare