Brexit: "Uns droht ein furchtbares politisches Kopfweh"

„Niemand spricht über die Folgen des Brexit“: Politologe Kevin Theakston
Interview: Der Politikwissenschaftler Kevin Theakston über die unterspielten Folgen des EU-Austritts.

Kevin Theakston leitet die Abteilung für Politikwissenschaften an der Universität von Leeds und beschäftigt sich vor allem mit der Struktur britscher Regierungen und der Rolle der Premierminister. Mit dem KURIER sprach er über...

...die Rolle des Brexit im laufenden Wahlkampf Vor allem Premierministerin Theresa May hat versucht, ihren Wahlkampf ganz auf die Brexit-Frage auszurichten. Sie stellt die Verhandlungen als Schlacht dar, die nur sie vernünftig führen kann. Hinter diesem übergroßen Bild wird versteckt, worum es eigentlich geht. Schwierige Detailverhandlungen mit voraussichtlich sehr vielen Kompromissen. Das ganze Brexit-Thema wurde daher im laufenden Wahlkampf nicht ernsthaft diskutiert. Man wollte die Wähler nicht verschrecken, indem man offen die Konsequenzen eines kompletten Ausstiegs aus der EU zum Thema macht.

...den Umbruch in der britischen Politik Das Brexit-Referendum hat erstmals den Umbruch in der britischen Parteienlandschaft sichtbar gemacht. Nicht mehr ökonomische Fragen entscheiden das Wahlverhalten, sondern Fragen der Identität. Wie sehr fühlt sich jemand als Engländer und grenzt sich damit auch von Europa ab? Die politischen Trennlinien werden jetzt zwischen dem ländlichen Raum und der Großstadt gezogen: Hier zieht man Grenzen, dort will man sie aufheben. Arbeiterviertel gehen so an die Konservativen, bürgerliche Viertel in der Stadt dagegen an die Labour-Partei. Ähnliche Trennlinien gibt es zwischen Jungen und Alten: Das Ja zum Brexit war ein Wahlsieg der Älteren, nicht nur weil sie inzwischen mehr sind, sondern auch weil sie verlässlicher zur Wahl gehen.

...die Folgen der WahlUns droht ein furchtbares politisches Kopfweh, wenn klar wird, welche Konsequenzen für Großbritannien durch den Brexit auf dem Spiel stehen, und was wir dafür hergeben müssen, um unsere Beziehungen zu Europa und zum gemeinsamen Markt nicht zu verlieren.

Je negativer diese Konsequenzen aussehen, desto mehr wird die Politik dafür die Europäer verantwortlich machen, die ja Großbritannien feindlich gesinnt seien. Mit diesem anti-europäischen Muster kann man in Großbritannien eine ganze Weile Politik machen.

Es kann lange dauern, bis man die Sache wieder realistisch betrachtet und politisch diskutiert.

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